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Gallenstein: Die fröhliche "Bremer Bildhauerschule": Saurer Kitsch in allen Winkeln

■ Die ganze Stadt ist vollgestellt mit Bonzetümelei: Quartierkäuze ohne Ende, modische Strupfmaskengesichter und andere verrenkte Heimatkunst

hierhin bitte die Ziegen-Skulptur

Die Ziege auffem ZiegenmarktFoto: Vankann

Hat Bremen das verdient? Dieses hemmungslose Vollmachen mit Figuren fragwürdiger Art? Dieses wütende Hinstellen allüberall von Artefakten, die ihre Verfertiger und Sponsoren für dauerwürdige Kunst halten? Ist es in Ordnung, wenn bald kein unschuldiger Winkel mehr davor sicher ist, daß da eine Bronze gesetzt wird?

Als der verflossene Kultursenator Franke — ein unbeschwerter Formulierer — vor einigen Jahren von der bedeutenden „Bremer Bildhauerschule“ gesprochen hatte, da fühlten sich viele mit diesem Regierungswort gemeint und leider auch ermuntert. Sie legten los. Zuerst suchten sie schöne Straßen, stille oder auch exponierte Plätzchen — Orte kurz, wo noch Platz schien für Plastik. Sie suchten dann nach schrulligen Exemplaren der Stadt- und Stadtteilgeschichte, nach Quartierkäuzen und Lokalanekdoten — Motiven also, die in Bronze gießbar waren.

Schließlich suchten sie nach Mäzenen, die eine anekdotische Witzelei in Metall für zuschußwürdig, weil gesellschaftlich aktuell, für bürgernah und für Kunst hielten.

Seitdem finden wir in steigender Masse, vom Zentrum bis nach Findorff und Vegesack, diese metallisch gefrorenen Witze. Vor dem Cafe Engel ein klumpig-diffuses Doppelmonster; im Schnoor einen erzenen Halbmann, der aus Spaß eine metallene Halbfrau bespuckt; in der Knochenhauerstraße eine bronzene Greisin samt einem Eselskopf; in Vegesacks Flaniermeile hängt einer erstarrt aus einem Bronzefenster und winkt — lustig; vor dem Bürgerhaus dort lümmeln sich die hartgewordenen Reminiszenen einiger vorstadtbekannter Müßiggänger. Undsoweiter.

Wo keine Anekdoten dieserart zu versteifen waren, ersann die Bronzierwut sich eine andere Pointe. Sie deutete den Platz, worauf, sie erklärte das Gebäude, wovor sie ihre Metalle ließ. Begonnen hatte das zuvor in der Sögestraße (hochdeutsch: Schweinestraße), wo man eine kleine Schweineherde plaziert hat — gegen sie sei nichts gesagt, da diese Schöpfung nicht Kunst sein will, sondern ein Kindervergnügen.

Späteres tritt aber mit einer Attitüde der Bedeutsamkeit einher. Ein bißchen krumm, etwas dünngequetscht oder schiefgelutscht, rufen die Figuren: ich bin Kunst! Andere sprechen mit ihren reduzierten Strumpfmaskengesichtern: ich bin modern! Manche, weil ein wenig verbogen, geben sich schon als sozialkritisch aus. Ist aber meist nur verschlepptes Biedermeier, Brüder Grimm und vier Jahreszeiten, Heimatkunst mit Verrenkung, saurer Kitsch.

Wenn's so weitergeht, haben wir bald vor jedem Wirtshaus einen Trinker, vor jedem Laden einen Kunden, vor jeder Turnhalle einen Turner - alle in Bronze. Und vor dem Palazzo Pisso...

So sehen wir vor Schulen nun spielende Schüler, auf dem Ziegenmarkt steht eine Ziege, auf dem Gemüsemarkt stehen zu Markt gehende Gemüsekäufer, vor dem Theater steht ein Schauspieler, vor einem anderen Theater steht auch ein Schauspieler, vor der Werft steht ein Werftarbeiter — und wird, weil Bronze so schwer vergeht, noch lange da stehen, als „der letzte Werftarbeiter“. Was für Pointen!

Als gäbe es in der Bildhauerkunst keine Entwicklung, als hätten nicht Arp oder Moore, Giacometti, Lipschitz oder Croissant gelebt, quälen sich diese Figuren halbherzig zwischen Realismus und Abstraktion; nichts Halbes, nichts Ganzes, lau.

Doch sehen wir von Qualitäts- oder Stilfragen einmal ab: wenn die witzige Auffassung von Stadtverschönerung anhält und die fröhliche „Bremer Schule“ weiterhin sucht, formt, gießt und setzt, werden wir bald vor jedem Wirtshaus einen Trinker, vor jedem Laden einen Kunden, vor jeder Turnhalle einen Turner, vor jeder Sparkasse einen Sparer oder Sparkassendirektor finden — alle in Bronze. Und wir dürfen uns daraufgefaßt machen, vor Bremens hochnobler Bedürfnisanstalt, dem „Palazzo Pisso“ auf dem Domshof... doch halt, der Ort ist schon besetzt.

Was aber, wenn sich der Vandalismus auf solche Weise erschöpft hat, die Stadt mit Bronzetümeleien vollgestellt und der allgemeinen Heiterkeit preisgegeben sein wird? Dann gibt es zum Glück Partnerstädte, vor allem im Osten, wo gerade die Lenine abgeräumt werden. Dorthin ließe sich noch manche Bremer Bronze verbringen. Warum nicht eine Dilettantenausführung der „Stadtmusikanten“ nach, sagen wir, Riga? Wer vermöchte Geschenken, selbst solchen, zu widerstehen? Hans-Wolf Jäger

hierhin bitte die Bronze-Katze

Auf der Lauer in der BöttcherstraßeFoto: KaHe

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