: Es drohte ein Neonazi-Putscherl
Nach den Hausdurchsuchungen und Festnahmen von österreichischen Rechtsradikalen: Warum bei so vielen bösen Nazis und so vielen tapferen Hofräten etwas faul sein muß ■ Von Günther Nenning
Die österreichische Staatspolizei, die schon bisher in aller Stille ihre Pflicht nicht tat, schlug endlich ins Wasser, daß es nur so platschte: Im Wiener Polizeipräsidium wurde am vergangenen Freitag vorgeführt, was das Wiener, ebenso polizei- wie nazikritische Magazin 'profil‘ mit feiner Ironie beschrieb: „eine beklemmende Szenerie, die Wiens Polizeipräsident, die Spitzen der Wiener Staatspolizei und der Präsident des Jugendgerichtshofes für die Presse aufgebaut hatte“.
Auf einem riesigen Tisch, sauber drapiert mit zwei meterlangen Hakenkreuzfahnen, lagen einige von insgesamt 23 beschlagnahmten Schuß- und Stichwaffen. Am Fußboden hingeschüttet ein großer Haufen Neonazi-Schriften. Dazu zwei Angeklagte in Haft, 18 weitere auf freiem Fuß. Jedem drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Paragraph 246 Strafgesetzbuch: Aufbau einer staatsfeindlichen Verbindung. Wenn das nur gutgeht! Lauter Nazis und lauter tapfer sie bekämpfende Hofräte.
Also sprach Hofrat Polizeipräsident Doktor Bögl: Der Zweck sei, „unseren Mitbürgern, den Menschen in Europa und der Welt zu sagen, so wird bei uns in Wien gegen Derartiges vorgegangen“. Jo, bei uns in Wien. Sehn's, des is' weanerisch. Es muß alles einen Zweck haben. Wir können doch net einfach Verbrechen bekämpfen, das is' ja fad. Nein, ganz Europa und der ganzen Welt wollen wir sagen...
Alsdern, was sagen wir ihnen? Ah ja, eh klar: indem wir aufdecken, wie viele und wie gefährliche Nazis es bei uns gibt, beweisen wir dem Ausland, daß die Österreicher keine Nazis sind.
Also sprach Hofrat der Staatspolizei, Doktor Zander: „Wir sind auf so ernste Dinge gestoßen, daß wir für derart terroristische Aktivitäten auch Einschränkungen des neuen Polizeibefugnisgesetzes brauchen.“
Oder, wie man in Wien sagt: Nachtigall, ich hör' dir trapsen. Soeben gab sich Österreich ein neues Polizeigesetz, ein vorbildliches, welches nämlich der Polizei auch schwarz auf weiß erlaubt, was sie bisher schon an Unerlaubtem tat — und schon brauchen wir ein neues, das ihr noch mehr erlaubt. Sehn's, die Nazig'schicht is doch für was gut!
„Wehrsportgruppe Trenck“ nannten sich die aufgeflogenen Neonazis. Trenck war ein gänzlich ungermanischer Abenteurer aus Slawonien, Oberst der dort ansässigen Panduren, unter Maria Theresia, die ihn wegen Ungehorsams hinrichten ließ. Die Wehrsportler trainierten die Machtergreifung „mit Nachtmärschen und Flußüberquerungen“ sowie „an Waldviertler Stauseen“ und „mit selbstgebastelten Rohrbomben und Härtetests, bei denen der kürzlich gleichfalls verhaftete österreichische und deutsche Neonaziführer Gottfried Küssel Ehrengast war“ (Zitate aus der Pressekonferenz).
Also sprach Hofrat und Leiter der Wiener Staatspolizei, Doktor Wallaschek: „Die Wehrsportgruppe wollte, wenn sie eine bestimmte personelle Kapazität und einen speziellen Ausbildungsstand erreicht, versuchen, die Regierung zu übernehmen oder Teile von ihr zu erpressen. Gott sei Dank konnten wir zu einem Zeitpunkt einschreiten, in dem die Gruppe noch am Anfang ihrer Aktivitäten stand.“
Eben. Österreich ist Deutschland immer ein Stück voraus. Während hier wie dort auf dem gesamtdeutschen Spielplan noch das bürgerliche Trauerspiel „Die Nazis kommen“, steht, spielt man hierzulande schon das österreichische Avantgardestück „Naziputsch verhindert“.
Vier Neonazis, junge Arbeitslose, betrunken, warfen in Traunkirchen, Oberösterreich, am vergangenen Donnerstag mehrere Brandsätze in ein Hotel mit 188 Flüchtlingen, 30 Kinder darunter. Brandstellen am Balkon konnten ohne Feuerwehr gelöscht werden. Niemand wurde verletzt, glücklicher Zufall. Das erste österreichische Hoyerswerda.
Am vergangenen Sonntag wurde in ein Waffenlager des Bundesheeres eingebrochen, in Kartitsch, Osttirol, und eine Menge Gewehre gestohlen.
Die Verbindung des österreichischen Neonazis reichen bis in die rechtsextreme Szene in den USA und Kanada sowie insbesondere ins benachbarte Ungarn. Sogleich wurde Österreich-Ungarn neu begründet: Höchstrangige Polizisten beider Länder versammelten sich in Wien und gebaren eine „österreich-ungarische Polizeiakademie“.
Außerdem gibt's noch die Sache mit Jörg Haider. Was tun gegen seine FPÖ. Erfolgsmischung aus Populismus und Deutschnational plus ein bißchen liberal und ein bißchen nazistisch? Österreichisches Erfolgsrezept: ihn anpatzen. Er wird mit den Neonazis in ein Amalgam gerührt.
Er schäumt: „Zwei- bis dreihundert Verrückte“ seien die Rechtsextremen. Aber das Rezept wirkt, sehr hintergründig: Haider wird in den Medien immer verrufener — und in den Wahlen immer stärker. Im roten Wien landete er bei 23 Prozent und überholte die bürgerliche ÖVP.
Man könnte natürlich auch eine so gute Demokratie machen, daß die Rechte keine Chance hat — die extreme nicht und schon gar nicht die viel bemerkenswertere parlamentarisch-demokratische Rechte.
Man könnte natürlich auch einen Sozialstaat machen, in dem arbeitslose Jugend und hoffnungsloses Mittelalter Betreuung, Jobs, Lebenssinn kriegen. Aber das ist so umständlich. Der einfachste Faschismus ist der Polizei-Antifaschismus.
Wir lassen die Hofräte der Austro- Stasi aufmarschieren, und wir rufen, wir die demokratischen Täter, die dauernd neue Nazis erzeugen! —: Haltet die Nazis! Schon drohte ein Putsch, na ja ein Putscherl. Drum, wie schon der brave Soldat Schwejk feststellte: Ordnung muß sein, wenn auch bei uns.
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