: BMW oder Kleid: „Warum Denken phallisch ist“
■ Ein Blick in den Studientag über „Geschlechterdifferenz“ an der Uni
Was ist der Unterschied zwischen einem BMW und einem Kleid? Hinter der Frage steckt kein Witz, sondern das Jahrhunderte alte philosophische Problem, was ein „Ding“ ist; anders gesagt: der fundamentale Bruch zwischen Mann und Weib, das Geheimnis von „Geschlechterdifferenz und Wissenschaft“. Die Frauenbeauftragten des Fachbereichs 9 (“Human- und Sozialwissenschaften“) der Universität haben zwei Tage lang zu dieser Frage ein Vortrags- und Arbeitsgruppenprogramm organisiert.
Was also ist mit dem BMW und dem Kleid? Ganz einfach: Ein BMW ist ein Ding nach Männerart, mann protzt damit, der Lack blitzt, macht den Besitzer begehrenswert. Jeder kann es damit zu jeder Zeit: ein Ding an sich. Dagegen das Kleid: Es schmückt sie nur zu bestimmten Anlässen, nicht jedes Kleid steht jeder Frau, es gibt ganz unpäßliche Umgebungen für ein schönes Kleid: Das Kleid ist ein relatives Ding, das erst im spezifischen Kontext der „Umgebung“ begehrenswert macht.
Im Seminarsaal GW 2 / A 2150 liegen zwei Schwämme und ein Stück Kreide auf dem Tisch, an der Tafel stehen Adjektive wie „lieb, schön, stark, lustig“, daneben „kizgin, güzel, mükemmel...“; vorher war in dem Raum offenbar Sprachunterricht. So also lernt man Sprache. Da sitzt jedes Adjektiv, ist universell verwendbar wie der BMW.
Daß die Sprache des Denkens „phallisch“ sei im Sinne Lacans, erklärt Prof. Matthias Waltz. Um ein kleines Karrée von Tischen sitzen ein paar Studierende, an der Frontseite der Professor. „Phallus“ ist der Name für dieses Objektlose, auf das das Begehren sich richtet, erklärt er, die Psychoanalyse erklärt es als Entzugserscheinung nach der Auflösung der frühkindlichen Symbiose. „Phallus ist allus“, sagt Jandl.
Und warum können Frauen nicht in den blitzenden Begriffen denken, ahnen vielmehr die Umgebung drumherum mit? Das kleine Mädchen hat „es“ nicht, kann den Umweg über die Objekte nicht gehen, löst sich nicht völlig aus der Symbiose mit der Mutter, behält einen leichteren Zugang zu Personen, findet schlechter Zugang zu den blitzblanken Begriffen. Mann entäußert sich ganz in Dingen, frau ist selber begehrenswert, vorzeigbar, ist selber „Phallus“.
Fünf Stundentinnen und vier Studenten waren gestern in die Arbeitsgruppe des Prof. Matthias Waltz gekommen und interessieren sich für die feministische Kritik der Wissenschaft. Ob er das wirklich glaube, was er da erklärt habe, fragt eine Studentin ungläubig. Lange Jahre sei er in seinem Denken von dem ausgegangen, was wünschbar sei, sagt Prof. Waltz. Diese Lacan'sche Theorie versuche zu erklären, was ist — „das ist eine unglaubliche Erleichterung für mich.“ K.W.
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