Die Entlastung durch Markus Wolf fand nicht statt

■ Der ostdeutsche ehemalige Spionage-Chef verweigerte im Düsseldorfer Kuron-Prozeß die Aussage

Düsseldorf (taz) — Den Paß hat man ihm genommen. Berlin darf er normalerweise nicht verlassen, und bei der Polizei muß er sich wöchentlich melden. Am Freitag durfte er wieder reisen — zum Kuron-Prozeß nach Düsseldorf. Im Gerichtssaal traf Markus Wolf, dessen Haftbefehl gegen Kaution und Auflagen außer Vollzug gesetzt worden ist, auf jenen Mann, der acht Jahre als hochkarätiger „Maulwurf“ im Sold der Ostberliner Spionagetruppe aus dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) berichtete. Zweimal, 1982 und 1984, hatte Kuron den damaligen Chef der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) im MfS in der DDR getroffen. Am Freitag wechselten die beiden „Duz-Freunde“ kein Wort. Wolf grüßte mit einem knappen Kopfnicken, um dann mit einem kategorischen „Nein“ jegliche Aussage zu verweigern. Kaum fünf Minuten dauerte sein Auftritt vor Gericht. Danach schwirrte der legändäre Ex-Spionagechef, von einem Blitzlichgewitter der Fotografen begleitet, wieder davon.

Immer wieder hatte der Angeklagte Klaus Kuron ausgesagt, Wolf habe ihm versichert, daß gegen die von ihm verratenenen Doppelspione „keine exekutiven Maßnahmen“ ergriffen würden. Jetzt sollte Wolf vor Gericht bestätigen, daß er auf Drängen von Kuron den Austausch des von Kuron schon 1982 verratenen Doppelagenten Horst Garau „in Aussicht gestellt hat“, wie die Verteidigung behauptet. Doch Wolf schwieg. Die Frage ist deshalb brisant, weil der Cottbusser SED-Funktionär und „Instrukteur“ der HVA im MfS, Horst Garau, drei Jahre nach seiner Verhaftung in seiner Bautzener Zelle 1988 erhängt aufgefunden worden war. „Selbstmord durch Erhängen“, lautete die offizielle Todesursache. Von Mord durch die Stasi spricht dagegen die Witwe des Verstorbenen, Gerlinde Garau, die am Donnerstag in Düsseldorf aussagte. Tatsächlich wirft der Fall Garau dunkle Schatten auch auf Wolf selbst, der ja immer das Bild von der hehren HVA pflegt, die nichts mit den sonstigen Stasi- Machenschaften zu tun gehabt habe. Als Gerlinde Garau, die selbst wegen Mittäterschaft 1986 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, mit tränenerstickter Stimme ihren letzen Knastbesuch bei ihrem Mann im Juni 1988 schilderte, da kam zum erstenmal im Prozeß die grausame Seite des Spionagekrieges zur Sprache. Ihr Mann sei in Bautzen körperlich immer mehr verfallen. Er habe sie beim letzten Besuch aus „glasigen Augen“ angesehen und einen „abwesenden Eindruck“ gemacht. Seine Hände habe er nicht kontrollieren können. In ihrem Beisein sei ihr Mann wie ein „Unmensch“ behandelt, beschimpft und erniedrigt worden. Am 13.Juli 1988 hat sie ihren schon obduzierten Mann dann in der Dresdener Anatomie zum letzten Mal gesehen. „Strangulierungsmerkmale“, so die gebrochene Frau, „habe ich nicht gesehen.“

Die Stasi sei „so voller Haß und Wut“ auf sie gewesen, „die hätten uns nie aus ihren Fängen entlassen“. Durch den Verrat von Kuron im Jahr 1982 seien sie „verloren“ gewesen. Walter Jakobs