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Asyl-Streit trotz Asyl-Kompromiß

■ CDU macht Flüchtlingspolitik zum zentralen Wahlkampfthema/ Streit nimmt trotz Bonner Einigung weiter an Schärfe zu/ Erneut Grundgesetzänderung verlangt/ Asyl-Kompromiß läßt Fragen offen

Frankfurt (ap/taz) — Die CDU will die Asylpolitik zum zentralen Wahlkampfthema für die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein machen. Ungeachtet der Bonner Einigung auf eine Beschleunigung der Asylverfahren nahm der Streit darüber am Wochenende weiter an Schärfe zu. Bundeskanzler Kohl und der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Schäuble, erneuerten ihre Forderung nach einer Grundgesetzänderung. SPD und FDP wiesen das Ansinnen postwendend zurück. Weiter kontrovers bleibt auch das Verlangen der SPD-regierten Länder, der Bund möge die Zuständigkeit für asylpolitische Entscheidungen übernehmen.

Dieser Punkt war bei der Verständigung von CDU/CSU, FDP und SPD auf ein neues Asylverfahrensgesetz am Freitag abend als strittig ausgeklammert worden. Ohne diese Einigung ist allerdings der ganze „Asyl-Kompromiß“ zwischen den Altparteien mehr als zweifelhaft. Einigkeit wurde dagegen in der Frage der radikalen Beschleunigung der Asylverfahren und bei Sammelunterkünften erzielt. Bundesinnenminister Seiters lehnte eine Übernahme aller Zuständigkeiten für asyl- und ausländerrechtliche Entscheidungen durch den Bund ab. Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnisse in Sachen Asylrecht auf den Bund lehnten auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms und der stellvertretende Chef der Unionsfraktion, Johannes Gerster, ab. Die alleinige Zuständigkeit des Bundes hatte vor allem der niedersächsische Ministerpräsident Schröder (SPD) verlangt.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms warf dem Koalitionspartner CDU am Sonntag vor, das Asylrecht als Wahlkampfthema zu mißbrauchen. Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Klose, bekräftigte, eine Grundgesetzänderung, wie sie sich die CDU vorstelle, werde es mit seiner Partei nicht geben. Ähnlich wie Solms fügte er aber hinzu, wenn es im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention eine europäische Lösung gebe, die deutschen Standards an ein Inidividualrecht gerecht werde, sei eine andere Situation da.

Die Hilfsorganisation „Pro Asyl“ kritisierte am Samstag den Bonner Asylkompromiß massiv. Ihr Sprecher Herbert Leuninger erklärte: „Dieser Gesetzentwurf richtet sich gegen wirkliche Flüchtlinge.“ Der Parteienkompromiß bedeute in der Praxis, „daß Internierungslager geschaffen werden, in denen die Lagerverwaltung Polizeibefugnisse erhält“. Flüchtlinge würden durch neue Haftgründe bei Ordnungswidrigkeiten kriminalisiert, außerdem werde eine Art Sonderjustiz eingeführt. „Pro Asyl“ wende sich vor allem gegen die Bestimmung, daß Asylbewerber nach nur einer Anhörung abgeschoben werden könnten.

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