piwik no script img

Madrid zensiert Lateinamerika-Ausstellung

■ Stellwände seien „eine Apologie für den Terrorismus“ und eine „Beleidigung für Spanien und die Demokratie“

Berlin (taz) — „Ich gestatte nicht, daß in Madrid und dazu noch von mir finanziert, Spanien und die Demokratie beleidigt werden“, erklärte der konservative Bürgermeister von Madrid, Jose Maria Alvarez del Manzano. Kurzentschlossen hatte der Bürgermeister der diesjährigen Kulturhauptstadt Europas am Freitag deswegen die Ausstellung Lateinamerika wiederentdecken geschlossen. Nach Auffassung seiner konservativen Volkspartei (PP), die im Madrider Gemeinderat die Mehrheit stellt, ergreift die Ausstellung Partei „für den bewaffneten Kampf, den Terrorismus und die kommunistischen Diktaturen“.

Lateinamerika wiederentdecken versucht eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte des lateinamerikanischen Kontinents zu geben — von den ersten Siedlern Mittelamerikas über Kolonie und Unabhängigkeit bis zur Gegenwart. Die unter anderem von der EG unterstützte Ausstellung, die Teil des Programms zur Europäischen Kulturhauptstadt 1992 ist, war seit ihrer Eröffnung im April 1991 in drei spanischen Städten — Barcelona, Lérida und Gerona — von rund 3.000 Personen besucht worden. In Madrid sorgte sie jetzt — zwei Tage nach ihrer dortigen Eröffnung — erstmals für Probleme.

Das inkriminierte Ausstellungsstück handelt von den politischen Alternativen der lateinamerikanischen Völker. „Trotz der Unterdrückung (...) wählen die Völker verschiedene Lösungen“, heißt es auf der Stelltafel. Anschließend werden unter anderem „politische Parteien“, „Nachbarschaftsvereinigungen“ und „Gewerkschaften“ aufgezählt. Als elfter und letzter Punkt steht „bewaffneter Kampf“ auf der Liste. Diesen Punkt halten die Madrider Konservativen für eine „Apologie des Terrorismus“, eine „einseitige Darstellung der Geschichte“ und „unzulässig“. Von den Ausstellungsmachern verlangten sie, entweder die Konzeption zu ändern oder die Ausstellung ganz zu schließen.

Das spanische Bündnis „Vereinigte Linke“ bezeichnete den Vorstoß des Bürgermeisters bereits als „analphabetischen“ Angriff gegen die Meinungs- und Gedankenfreiheit. Die Ausstellungsmacher selbst suchen bereits nach einem anderen Rahmen für Lateinamerika wiederentdecken, das nach Madrid noch in drei weiteren spanischen Städten gezeigt werden soll. Bereits im vergangenen Jahr hatte die konservative Regierung der spanischen Hauptstadt eine Ausstellung zensiert. Damals verbot sie eine Fotoschau, weil sie „obszöne Bilder“ enthalte.

500 Jahre nach der „Entdeckung Amerikas“ zeigt die Entscheidung der konservativen Madrider Regierung, daß es in Spanien noch viele gibt, die weiterhin meinen, die besseren Rezepte für ihre früheren Kolonien zu kennen. Dorothea Hahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen