piwik no script img

Weitere Razzien in der Drogenszene

■ Großer Aufwand — wenig Beute / Geschäftsleute und Anwohner zufrieden

Auch am Mittwoch gingen die Razzien in der Drogenszene weiter. Diesmal blieben die Aktionen nicht allein auf das Ostertor und Steintor beschränkt. Die Polizei durchsuchte außerdem Spielhallen in der Bahnhofsvorstadt und Ausländerwohnheime in Hastedt und im Allerhafen.

Wie schon in den vergangenen Tagen war die Diskrepanz zwischen Aufwand und Ergebnis groß: Von 160 überprüften Personen wurden vier Asylsuchende ohne Aufenthaltsberechtigung zurück in ihre zugewiesenen Bundesländer geschickt, eine Person wurde wegen Hehlerei (eines Autoradios) angezeigt. Ganze drei Anzeigen gab es wegen geringer Rauschgiftmengen, die bei den Festgenommenen gefunden worden waren. Nach Aussage des Polizeipressesprechers ist ein Ende der Aktionen nicht in Sicht.

Bei den Geschäftsleuten rund um das Sielwalleck kommen die Razzien durchweg gut an. Endlich passiere etwas. Doch keiner wollte sich mit einem Zitat in der Zeitung wiederfinden. „Ich muß jeden Tag hierher. Ich möchte dazu nichts sagen“, meinte eine Verkäuferin aus einem der Geschäfte am Ostertorsteinweg. Die Besitzerin aus dem Nachbarladen meint: „Ich habe zehn Jahre versucht, die Polizei dazu zu bewegen, etwas zu tun, damit wir uns nicht mehr bedroht fühlen. Auch wegen der Kunden. Zehn Jahre lang ist nichts passiert. Jetzt hoffe ich ganz auf van Nippen, oder wie der heißt“. Kritische Stimmen zu den Polizeiaktionen seien von den Kunden nicht zu hören gewesen. Die meisten sind froh, daß überhaupt etwas passiert. Eine Anwohnerin vom Dobben: „Ich weiß, es ist irgendwie daneben und es ist auch keine Lösung. Aber ich genieße es, ein bißchen durchatmen zu können.“

Ein Sozialarbeiter und Kenner der Drogenszene meinte dagegen, die Aktion sei nichts anderes als Schaumschlägerei. „Es ist gefährlich, wenn van Nispen den Leuten vorgaukelt, man könne die Drogenszene wegbekommen. Die Dealer stellen sich in kürzester Zeit auf die neuen Verhältnisse ein“, meint er. Die Abhängigen übernähmen dann Schlepper-und Botendienste und der Markt verteilt sich. Dennoch sei es wichtig, den Abhängigen auch über Polizeieinsätze klarzumachen, daß sie sich in einem bewohnten Stadtteil bewegen.

Der Kontaktbereichsbeamte für das Steintor beurteilte die Razzien kurz und knapp: „Quatsch!“ Das richte sich letztlich nur gegen die Junkies und die Dealer liefen immer noch frei herum. Durchzuhalten seien die Aktionen ohnehin nicht.

„Weder der Beirat noch die Drogenberater sind prinzipiell gegen verstärkte Polizeipräsenz“, sagte die amtierende Viertelbürgermeisterin Andrea Freudenberg. Am Mittwoch traf sich der Sozialausschuß des Beirates Östliche Vorstadt. Alle Fraktionen waren sich dabei einig, daß Polizeiaktionen ohne soziale Angebote für die Junkies Unsinn seien. Dringend nötig seien vor allem dezentrale Wohnraumbeschaffung für Junkies und ganztägig geöffnete und betreute Notunterkünfte, insbesondere für die weiblichen Abhängigen. Daneben soll es nach der Vorstellung der ViertelpolitikerInnen uniformierte Fußstreifen geben, um die Szene zu verunsichern.

Am 11. Februar um 19 Uhr tagen die Beiräte Mitte und Östliche Vorstadt in der Aula der Schule an der Schaumburger Straße. Zu den Themen Drogenstrich Friesenstraße und Polizeiaktionen im Viertel hat Innensenator Friedrich van Nispen sein Kommen fest zugesagt. J.G.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen