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»Hin und Her« am Alex

■ Ein Lob der künstlerischen Beliebigkeit — eine Ausstellung im U-Bahnhof Alexanderplatz

In Berlin geht's mit der Kunst zwar offiziell weder auf noch ab, dafür im Underground »hin und her« — auf dem Bahnhof der U2 am Alex. Das Thema der neuen Ausstellung hätte mit besserem Konzept mehr hergeben können, doch so haben die von Künstlern aus Ost- und West- Berlin gestalteten Flächen einen Grad von Beliebigkeit erreicht, der kaum zu übertreffen ist.

Liegt diese gar in den Auswahlkriterien begründet, die nach den Worten des Kultursenator »verfeinert« wurden? Während noch im Vorjahr zum Thema »WeltStattBerlin« unter mehr als 80 Entwürfen die treffendsten ausgesucht werden konnten, wurden diesmal schön paritätisch 32 KünstlerInnen bestimmt, denen man zutrauen wollte, mit dem ganzen »Hin und Her« fertigzuwerden. Zu welchen Banalitäten dies in der Mehrzahl geführt hat, kann man nun im Vorbeifahren beobachten. Aussteigen lohnt sich nicht!

Es sei denn, man besteht darauf, die wenigen gelungenen Ausnahmen zu würdigen, die es schließlich auch gibt: So von Rainer Görß, der die Tonnengewölbe der Moskauer Metro und des Vatikans zum imposanten »Transimperativ« verbindet; Joseph W. Huber, der das Auto als chemische Waffe denunziert, oder Heike Stephan und Matthias Leupold, die das immer berühmter werdende Lenindenkmal als aktuelles Symbol historischer Scheinbewegung benutzen. Außerdem haben Ulrike Hogrebe und Martin Seidemann als Maler Zeichen gesetzt, um das es im sonstigen Umfeld jammerschade ist. Zufall kann es wohl nicht sein, daß die besseren Beispiele fast alle von Künstlern aus Ost-Berlin stammen. Denn die haben auch schon zu DDR- Zeiten genau auf diesem Bahnhof ihre Konfliktfähigkeit bewiesen und für entschlossene Auftritte der kultur-stalinistischen Einheitsfront gesorgt.

Allerdings hat auch diese Ausstellung nun doch noch ihren Eklat. Die BVG stellt sich stur und — na, sagen wir's vorsichtig: macht ihr Hausrecht dafür geltend, die Tafel von Cornelia Schleime nicht zu hängen. Dabei geht es um die Story eines Schwarzfahrers, der laut Skandalpresse sechs BVG-Kontrolleure krankenhausreif geschlagen haben soll. Der »Witz« daran ist, daß der Mann eine schwarze Hautfarbe hat und die Geschichte seiner Prügelei nie öffentlich richtigstellen konnte. Das passiert auch in dieser Collage nicht, die so falsch ankommen könnte. Ihre eigene Haltung hätte die Künstlerin mehr konkretisieren können. Und bevor man sich über Zensur beklagt, sollte man die Arbeit gesehen haben. Sie hängt jetzt in der Staatlichen Kunsthalle, Budapester Straße. Weil Roloff-Momin zu diesem Fall erklärte, daß die politisch Verantwortlichen nicht dazu da sind, »Kindermädchen« zu spielen, hier noch ein Vorschlag: Nächstens sollte dringend für ein solches Projekt ein Regisseur ausgeschrieben und eingesetzt werden, der ein tragfähiges Konzept entwirft, Künstler auswählt und sie gegenüber Senat und BVG vertritt. Außerdem müßten konzeptionell arbeitende Künstler die Gelegenheit bekommen, ihr Programm in Wandlungen vorzustellen. Wo ist zum Beispiel die Tafel von Twin Gabriel, mit der das in »WeltStattBerlin« Begonnene weiterentwickelt würde? Da hat wohl einfach keiner dran gedacht? Wenn das Ganze fortgeführt werden soll, dann bitte mit dem nötigen Ernst und entsprechender öffentlicher Wirkung. Eine schöne Aufgabe könnte es sein, am Alex so etwas wie 1 work in progress auszustellen, statt nur dekorative Schnipsel, die den wenigsten etwas sagen; den Leuten etwas zum Nachdenken zu bieten, statt sie zur hehren Kunst erziehen zu wollen. (eine ziemlich elitäre und anachronistische Haltung, Herr Kultursenator!).

Die jetzige Ausstellung signalisiert jedenfalls, daß es weitergehen muß mit der Kunst am Alex. Aber anders. Bis dahin leisten wir uns noch 'ne Postkartenserie am Kiosk im Bahnhof für schlappe 20 Mark. Eine schöne Fehlinvestition, die den ganzen Spaß richtig rund macht. Ralf Bartholomäus

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