DURCHS DRÖHNLAND
: Postmoderne rules o.k.

■ Die besten und schlechtesten, wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der nächsten Woche

Manchmal läuft die Geschichte auch mal verkehrt rum. Viele Bands aus dem Punk-Lager näherten sich über Hardcore immer mehr dem Metal an. Inzwischen fangen einige wie eben auch War Dance schon bei diesem Crossover an und gehen die Entwicklung dann rückwärts. Bei War Dance allerdings verständlich, denn die heutige Band hat mit der Gründungszeit nur noch den Namen gemein. Von der Originalbesetzung ist niemand mehr dabei und War Dance spielen inzwischen einen ziemlich lupenreinen Hardcore, der nur noch in wenigen Momenten eine Schwäche für Metal offenbart. Das Wichtigste sind die einfachen, zum Mittun verführenden Melodien und die eingängigen, wenn auch nicht dumpfen und immer vorwärtstreibenden Gitarrenriffs. Die Tatsache, daß sie auch mal — so mitten zwischendrin und ohne jede Vorwarnung — einen hübsch altmodischen Reggae spielen, belegt wiederum nur, wie sehr sie sich dem Punk zugewendet haben, denn auch in den ganz frühen Tagen legte man großen Wert auf diese Seelenverwandschaft. Zu alledem sind War Dance auch noch Spaßvögel, britische zudem. Und das ist in diesem Gewerbe lobenswert, weil nicht allzu häufig: »We don't judge people by the colour of their skin, just their hairstyle.«

Am 31.1. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Wer kennt sie nicht, wer liebt sie nicht? Die Lässie Singers, in Berlin everbodys darlings, nach Selbstdefinition eine »Gute- Laune-Band«, wahrscheinlich die Zukunft des deutschen Schlagers. Reduziert auf das Nötigste, denn niemand braucht mehr als ein Schlagzeug für den Rhythmus und eine Gitarre für die Harmonien. Vorausgesetzt, Almut, C.C. und Kathrin singen dazu. Die drei Frauen aus dem Umfeld des gescheiterten und bankrotten Fischbüros sind samt ihrer beiden männlichen Mitstreiter an den Instrumenten nun endlich »bereit, berühmt zu werden«. Der erste Schritt dahin war ein Plattenvertrag mit Sony Music, zu dem sie wie auch immer gekommen sind. Der erhoffte riesenhafte Erfolg blieb bis dato aber leider aus, und das obwohl gerade in der Welt des gnadenlosen Reimzwangs frischer Wind bitter nötig wäre. Deshalb müssen die Lässie Singers in den »Kessel Buntes«, mindestens. Endlich Menschen, die auf Deutsch singen, ohne dabei nichts zu sagen und die man dabei noch versteht. Boshaftigkeiten, kleine Wahrheiten, Sätze zu schön zum Zizieren, aber gerade richtig, um sie zu singen. Vielleicht liegt es am selbsterkannten Fehler, sich zu sehr auf den eigenen Mikrokosmos zu konzentrieren. Nichtsdestotrotz verdienen die Lässie Singers immer wieder eine neue Chance.

Am 31.1. um 22 Uhr in der Rumbar, Baumschulenstraße 28, Treptow

Thomas Spindler ist mit seiner Ecstasy-Crew in die Neue Welt umgezogen. Durch die dadurch auftretenden Terminüberschneidungen findet sich zur Eröffnungsparty von Huxley's Neuer Welt ein zwar illustres, aber reichlich bunt zusammengewürfeltes Programm zusammen. Da wären zuerst mal The Primitives, die noch 1988 mit Crash die Charts aufrollten. Inzwischen will keiner mehr was vom kleinen naiven Blondchen-Charme der vergangenen Achtziger hören, also auch nicht von den Primitives. Ganz und gar nicht dazu passend spielen auch Thee Hypnotics, die sich so sehr auf Vorbilder berufen, daß die auch noch mal zitiert werden können: Stooges, MC5, Blue Cheer und all der andere Sixties-Garagenpunk-Kram. Nichts schlechtes daran, ja vielmehr sind Thee Hypnotics auch noch wirklich groß und schön dreckig, mit dicken Gefühlen, dicker Verzweiflung, wie es sich gehört. Augenzwinkern inbegriffen, denn Thee Hypnotics sind vor allem Glitter und Glamour, die Sorte, die man unter meterdicken Staubschichten findet. Damit noch was nicht paßt, werden auch noch die angegrauten Stiff Little Fingers die Bühne erklimmen. Ihres Zeichens altehrwürdige Punk-Heroen und ungefähr so aufregend wie das drittbeste Wachsfigurenkabinett am Platze.

Am 1.2. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide, Ecke Wissmannstraße

Das Kult-Label 4AD glänzte in seiner Anfangszeit vor allem durch die Covergestaltung und Elektrodüsterlinge wie Dead Can Dance und Cocteau Twins, aber stieg zwischenzeitlich auf Gitarrenpop um (Lush, Pixies u.a.). The Wolfgang Press klingen wie ein Überbleibsel aus den frühen Tagen, manchmal auch, als hätten sie alle Kehrtwendungen von 4AD selbst mitvollzogen, und schlagen eine Brücke von der Vergangenheit zu den aktuellen Klängen auf 4AD (Dancefloor von A.R.Kane und M.A.R.R.S.). Längst schon können nicht nur alle möglichen verschiedenen Stile konkurrenzlos nebeneinander stehen, sondern auch in einen einzigen Song einfließen. Solchen Eklektizismus betreiben The Wolfgang Press seit ihrer Gründung 1983 in London. Das Duo läßt brasilianische Trommeln, Heavy Metal-Gitarren, Bläser, Elektro-Rhythmen, Hippie-Orgeln und vieles mehr einen Song bilden, der trotzdem noch als solcher erkennbar ist. Das besondere Verfahren besteht darin, die Einzelteile deutlich identifizierbar, als Zitate kenntlich zu machen, und trotz aller Komplexität keinen Brei zu produzieren. Dabei erinnern Sound und angestrengte Coolness der Stimme an Was (Not Was), die allerdings bei weitem nicht so experimentierfreudig waren. Dabei immer ein Auge auf den Beat und das andere auf die Verschrobenheit. Manchmal kann Intelligenz ganz schön störend sein, aber meistens kriegen sie die Kurve. Würde mich nicht wundern, liefe The Wolfgang Press, wenn ich mich auf eine Juristen-Party verlaufen würde. Grooven, bis die Couchgarnitur blanke Flecken bekommt.

Am 5.2. um 20.30 im Loft, Nollendorfplatz

Sie sterben nicht aus. Das Männchen trägt meist schlichtes kurzes Haar oder Pilzkopf, das Weibchen ist oft zu stark geschminkt und bändigt die Haarmassen mit allerlei Tüchern, Spangen und Gummis. Beide Geschlechter tragen mattschwarz schimmernden Stoff, haben sich aber in den letzten Jahren besser ihrer Umgebung angepaßt. Gerade heute können einige der wenigen verbliebenen Exemplare besichtigt werden. Diese haben sich unter dem Namen Bumble Bees zusammengeschlossen und spielen, ganz wie es sich ihrer Art geziemt, melodischen Gitarrenpop mit heftigen 60ies-Einflüssen, der allerdings das Psychedelische vermissen läßt. Das vor allem wegen der allzu klaren und optimistischen Stimme von Sängerin Betty Fürstenau. Trotzdem solider Pop. Damals in den Sechzigern hieß der Gegensatz Beatles contra Stones. Heute heißt er Bumble Bees contra Profanes. Letztere sind ebenfalls in jener glorreichen Dekade verankert, aber haben eine wesentlich lakonischere und leicht lärmigere Herangehensweise. Das ist zwar immer noch nicht psychedelisch, aber immerhin nett stahlblau und ein kleines bißchen gemein. Es gibt Leute, die machen mit sowas Karriere (siehe Element of Crime). Leider aber völlig überholt und vom Aussterben bedroht. Aber auch eine zähe Sorte.

Am 31.1. um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg, Kopischstraße 7

Die Hamburger Erosion gehören zur ersten Liga im deutschen Metal, auch oder gerade weil sie sich nie eindeutig einer der splitternden Stilrichtungen zuordnen ließen. Weder musikalisch, noch durch Eigendeklaration. Für Speed- oder Trashmetal immer zu intelligent, für Hardcore zu schnell, zu brutal, zu hektisch. Genau der Weg quer durch die herumstehenden Stühle, um einen Notausgang aus dem Ghetto des deutschen Hardcores zu finden. Weg von den platten politischen Parolen und dem so unausweichlich dazugehörigen Dumpfrock, hin zu differenzierterer Musik, die in ihrer Kompromißlosigkeit zwar erstmal ein Schock für die Puristen sein mag, aber immerhin nicht vor 15 Jahren stehen geblieben ist. Politisch korrekt sind sie trotzdem: Texte über/gegen Zivil/ Kriegsdienst, Religion, Sterbehilfe, ohne sich dabei mit den genreüblichen Slogans zufriedenzugeben. Daß man bei dem Kotzgesang aber leider nicht allzu viel versteht, soll noch angemerkt werden, wird der erwarteten Klientel aber sowieso egal sein.

Leider genau das Gegenteil demonstrieren Razzia. 1980 gegeündet, sind sie in dem großen Haufen der damaligen Errungenschaften des Punkrocks stecken geblieben. Heroisch herausgedonnerte Refrains bestimmen das Bild, und man fragt sich, warum eine Band sechs Mitglieder braucht, um so langweiligen Polit-Rock zu fabrizieren. Immerhin bilden Erosion und Razzia einen guten Doppelpack, der an einem Abend zeigt, was Punk war, ist und vielleicht sein wird.

Am 31.1. um 22 Uhr im Ex, Gneisenaustraße 2a, HH, Kreuzberg to