: Neuer Pragmatismus
■ betr.: "Koordinaten einer neuen Welt", taz vom 17.1.92
betr.: „Koordinaten einer neuen Welt“ (Das Ende ideologischer Großsysteme und der neue Pragmatismus), Essay von Götz Aly, taz vom 17.1.92
Götz Alys neuer Pragmatismus ist genauso einäugig wie die ideologische Verdrängung des Goulag bei —wohlgemerkt— nur einem Teil der deutschen Linken. Für ihn ist der Golfkrieg der Wendepunkt. Die USA — jetzt Garant des Völkerrechts — schlagen einen wildgewordenen Diktator Saddam Hussein zurück. „Desert Storm“ sei kein schmutziger Krieg gewesen, es sei „mit Menschen und Material nicht gespart“ worden, daß nicht alles nach internationalem Kriegsrecht verlief, sei unvermeidbar gewesen: „Kriege sind immer Exzesse“.
Der Historiker der Nazi-Vernichtungspolitik an den europäischen Juden versteigt sich zu verharmlosenden Formulierungen, deren Euphemismus verdammt bekannt klingt. Das Massensterben im Irak hat erst mit „Desert Storm“ begonnen. Noch heute sterben Zehntausende von Kindern wegen Hunger und zerbombter medizinischer Infrastruktur. Kuwait hat zwar den Besatzer gewechselt, ist aber nicht befreit. Die Kurden und Schiiten hat die USA ins MG-Feuer laufen lassen. Kein Problem der Region ist wirklich gelöst worden, im Gegenteil. Einer Embargo-Strategie, die selbst ein Colliln Powell wollte, wurde keine Chance gelassen. Stattdessen verbündete man sich mit Assad von Syrien.
Wenn der „neue Pragmatismus“ in den Schoß der Weltpolizei USA zurückführt, die zum Beispiel einen Bürgerkrieg in El Salvador mit 60.000 Toten erst möglich machte, dann ist das „späte Gehorsamkeit“ gegenüber der autoritätshörigen Elterngeneration, die den Glauben an Volk und Vaterland durch die transatlantische Allianz mit den USA ersetzte. Es gibt keinen Grund, eine Kritik imperialistischer Politik aufzugeben. Dr.med.Lutz Meyer-Junghänel, Berlin
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