Es war mein Kampf

■ Vom Stadtguerilla beim 2. Juni zur Stasi

Am letzten Sonntag hatte der ehemalige taz-Redakteur Till Meyer sein Coming-out im Spiegel-TV: Seit dem Frühjahr 1987 habe er als Agent der Stasi im bundesdeutschen Feindesland gearbeitet — dazu stehe er auch. Bis zuletzt, also bis die für ihn zuständige Hauptabteilung XXII (Terrorabwehr) aufgelöst wurde, habe er für die DDR gekämpft.

Zur selben Zeit arbeitete Till Meyer bei der taz, und zwar von Mai 1987 bis Sptember 1989. Meyer absolvierte in dieser Zeit ein Volontariat — hauptsächlich in der Lokalredaktion — und arbeitete anschließend überwiegend zu Themen der „Inneren Sicherheit“, für ihn auch eine Form, „dem System hier zu schaden“.

„Ich bin ein erbitterter Gegner dieses Systems“, ist eine Aussage Till Meyers, an der er sich, „ohne Zweifel“ zu bekommen, orientiert hat. Meyer gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Stadtguerillabewegung 2.Juni — das Datum bezieht sich auf den tödlichen Schuß auf den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967. Die spektakulärste Aktion der Bewegung 2. Juni war die Entführung des Berliner CDU-Chefs Peter Lorenz, der gegen vier Gefangene ausgetauscht wurde. Till Meyer gehörte zu den Lorenz-Entführern und wurde unter anderem deshalb verurteilt.

Aus der U-Haft wurde er im Mai 1978 von einem Kommando des 2. Juni, zu dem auch Inge Viett gehörte, befreit. Die Gruppe flüchtete dann über Ost-Berlin nach Bulgarien. Aus dieser Zeit rühren die ersten Stasi-Kontakte der Gruppe 2. Juni. Bereits im Vorfeld der Befreiungsaktion fielen Mitglieder des 2. Juni der Stasi auf und wurden ausgiebig befragt. Bei der Durchreise nach Bulgarien, unmittelbar nach dem Ausbruch, erkundigte sich die Stasi ebenfalls nach dem Weg, und von Bulgarien aus ging ein Teil der Gruppe zurück nach Ost-Berlin.

Nach Angaben Till Meyers hat die Stasi die Politik der Stadtguerilla zwar nie gebilligt, gleichzeitig aber immer deutlich gemacht, daß sie der bundesdeutschen Polizei keine Fahndungshilfe geben würde. Das tat jedoch das sozialistische Bruderland Bulgarien. Nachdem der Bundesnachrichtendienst durch Abhören der Telefonate aus dem ehemaligen Ostblock von dem Aufenthalt der 2.-Juni- Leute in Bulgarien erfahren hatte, erhielt ein BKA-Zielfahndungskommando auf Drängen der Bundesregierung die Erlaubnis, am Schwarzen Meer zuzugreifen. Vier Mitglieder der Gruppe, darunter Till Meyer wurden gefaßt, drei andere, eine davon Inge Viett, konnten entkommen. Inge Viett wurde anschließend in Prag verhaftet und bediente sich dann einer Stasi-Kontakttelefonnumer, um wieder herauszukommen.

Im Juni 1978 packte Inge Viett dann gegenüber der Stasi umfassend aus. Aus dieser Phase kannte die Stasi die Decknamen des 2. Juni und konnte Till Meyer im Frühjahr 1987 unter Verweis auf seinen Decknamen kontaktieren. Meyer hatte sich allerdings im Knast bereits von den anarchistischen Vorstellungen des 2. Juni distanziert und eine deutliche Affinität zum real existierenden Sozialismus bekundet. taz