INTERVIEW
: VS-Kontrollkommission zu „Mitwissern“ gemacht

■ Rupert von Plottnitz (Grüne), Obmann im Geheimdienst-Kontrollausschuß Hessens, zum RAF-„Kronzeugen“ N.

taz: Die Geheimdienste in der Bundesrepublik sind der Kontrolle durch die Parlamente unterworfen. In Hessen hat der zuständige Parlamentsausschuß das Landesamt für Verfassungsschutz zu überwachen. Sie haben in Sachen RAF- „Kronzeuge“ Siegfried N. aus Bad Homburg sowohl an der geheimen Sitzung des Kontrollausschusses als auch an der Innenausschußsitzung zum Thema teilgenommen. Kann ein parlamentarisches Gremium — angesichts der Desinformationspolitik des Verfassungsschutzes und der Bundesanwaltschaft — diese Kontrollfunktion überhaupt noch wahrnehmen?

Von Plottnitz: Ich gehöre da ohnehin zu den Skeptikern. Alleine schon der Umstand, daß die Mitglieder dieser Kontrollausschüsse der Schweigepflicht unterliegen, schränkt die Kontrollmöglichkeiten erheblich ein. In Hessen entscheidet alleine die Landesregierung darüber, welche Informationen aus dem Kontrollausschuß der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden — und welche nicht. Als Kontrolleur habe ich dabei ein ungutes Gefühl. Ich kann natürlich durch Befragung der Verantwortlichen eine gewisse Kontrollfunktion ausüben. Aber im Grunde werden die Mitglieder der Kontrollkommission bei anfechtbaren Vorgängen lediglich zu Mitwissern gemacht. Dabei laufen sie noch Gefahr, in ihrer Eigenschaft als Mitwisser von der Exekutive in die Mithaftung genommen zu werden.

Im konkreten Fall des sogenannten Kronzeugen „Siggi“ N. Sind Informationen bislang nur scheibchenweise an die Öffentlichkeit gelangt. Hat der Abgeordnete Rupert von Plottnitz aufgrund seiner Mitgliedschaft im Kontrollausschuß einen Wissensvorsprung?

Wenn ich darauf erschöpfend antworten würde, hätte ich bereits meine Schweigepflicht verletzt. Fest steht allerdings, daß mehr Fragen offen sind, als bislang beantwortet wurden. Noch immer ist nicht geklärt, warum der hessische Verfassungsschutz auf das Gesprächsangebot von N. — nur Tage nach dem Attentat auf Herrhausen — nicht eingegangen ist. Statt dessen wurde der Mann observiert. Das ist doch ein schwer verständlicher Vorgang zu einer Zeit, als im Sicherheitsbereich alles auf den Herrhausen-Mord angesetzt war. Darüber hinaus wurde die Observation exakt einen Tag vor dem Versuch von N., seine Wohnung in Brand zu setzen, abgebrochen.

Ist das Zufall, oder gibt es da andere Hintergründe? Aufklärungsbedürftig ist auch die Frage, ob es im Landesamt für Verfassungsschutz Leute gibt, die sich im Umgang mit der eigenen Leitung und der politischen Führung eher konspirativer Verhaltensweisen befleißigen.

Fest steht, daß sowohl der neue Innenminister als auch der neue Leiter des Verfassungsschutzes über bestimmte Dinge nicht informiert wurden. Da geht es dann nicht mehr nur um die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle über den Geheindienst, sondern verschärft um die Frage nach der Wirksamkeit der Kontrolle durch die politische Exekutive überhaupt.

Wie ist das Ganze rechtlich zu bewerten?

Ich bleibe bei meiner These, daß das Landesamt für Verfassungsschutz, was die strafprozessualen Ermittlungen angeht, Dinge getan hat, die in der Bundesrepublik Geheimdiensten untersagt sind. Der Generalbundesanwalt muß sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht durch Manipulationen verfahrensmäßiger Art dafür gesorgt hat, daß Geheimdienste tätig geworden sind in Feldern, auf denen sie nichts zu suchen haben. Interview: Klaus-Peter Klingelschmitt