piwik no script img

Blues-Boß am Baß

■ Willie Dixon ist im Alter von 76 Jahren gestorben

Iam the blues nannte er seine Autobiographie, und das war nicht unbescheiden. Platten unter seinem Namen gibt es wenige. Der Bassist und Sänger spielte seine entscheidende Rolle im Herzen der Chicagoer Blues-Szene und als grandioser Texter und Komponist. Der Name „Willie Dixon“ ist vermerkt als Autor klassischer Blues-Nummern und auf den Sessionlisten von Muddy Waters, Howlin Wolf, Otis Rush, Little Walter, Chuck Berry, Bo Diddley und vielen mehr.

Als Blues-Autor glänzte Willie Dixon durch griffige Beschreibungen des prahlerischen, geckenhaften Machismo der schwarzen Straßenszene, den ein Schuß Ironie zur Erträglichkeit zurücknimmt. In seinen Stücken machte Muddy Waters als „Hoochie Coochie Man“ „pretty women jump and shout“, war „Ready for you, I hope you're ready for me“ und beschied schließlich: „I Just Want to Make Love to You“. Howlin Wolf röchelte vom „Back Door Man“, der sich durch die Hintertüren schleicht („the men don't know but the little girls understand“), und vom „Little Red Rooster“, zu schlapp zum Krähen, aber ständig hinter den Hennen her.

Dixons Weg ins Herz des Blues begann in Mississippi: Als einer im unendlichen Strom aus dem verelendenden Süden in die schwarze Hauptstadt des Nordens kam er Ende der zwanziger Jahre nach Chicago, schlug sich als erfolgreicher Amateurboxer durch und stieg aus dem Ring in die Band eines Freundes um. Sie spielten Boogie und Blues, aber auch im Stil des Nat-„King“-Cole- Trios und der schwarzen Vokalgruppen. Als um 1950 die Brüder Chess die gleichnamige Plattenfirma etablierten, die zwanzig Jahre fast ein Monopol auf Chicagoer Blues-Produktionen hatte, wurde Dixon ihr Mann für alles: Er arrangierte Sessions, brachte neue Talente mit, vermittelte zwischen den Musikern, die sich oft übers Ohr gehauen fühlten, und den geschäftstüchtigen Brüdern. Der füllige Mann mit der schartigen Stimme war auch mitverantwortlich für den Ausbruch des Blues aus den Ghettos und den weißen Fanzirkeln: Ohne ihn wäre das ab 1962 jährlich durch Europa tourende „American Folk Blues Festival“ mit seiner starken Ausstrahlung auf Popmusiker und Publikum nicht zustande gekommen. Die weiße Blues- und Rockwelle rollte, Bands von den Doors bis zu den Pretty Things spielten Dixons Stücke. Der „Kleine Rote Hahn“, das schönste Stück der frühen Stones, gab Mick Jagger den Anlaß zum abgefeimtesten Lippenschürzen und Gesang der jungen Jahre.

1976 wurde Willie Dixon ein Bein amputiert. Er zog sich langsam zurück, ins sonnige Südkalifornien, wo er umgeben von seiner vielköpfigen Familie — er wußte von 14 Kindern!— lebte. Er starb am 29. Januar. ci

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen