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DOKUMENTATION„Großzügig mit 22 Pfennig Trinkgeld“

■ Wie Ibrahim Böhme 1987 auch taz-Redakteur Erich Rathfelder bespitzelte/ Auszug aus dem Tonbandbericht des IM „Maximilian“: Pralinen, 4 Bier und 4 Korn

„Am 10.6. 1987 gegen 15.00 Uhr suchte der IM Templin in dessen Wohnung auf. Im Wohnzimmer wurden ihm (...) der taz-Korrespondent Erich Rathfelder vorgestellt. (...) Templin übergab nach Ankunft des IM einen von diesem verfaßten Artikel über die Ereignisse zu Pfingsten am Brandenburger Tor an Rathfelder (auf Ostberliner Seite hatten sich Jugendliche versammelt, um einem Konzert von Pink Floyd jenseits der Mauer zuzuhören, und dabei auch politische Parolen gerufen, d.Red.) Im Gespräch erzählte Rathfelder über Schwierigkeiten, die taz-Journalisten bei ihrer Arbeit in der DDR hätten. Weiter informierte er über ein von ihm geführtes 2stündiges Gespräch am 28.5. 1987 im MfAA (Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, d. Red.) mit einem verantwortlichen Mitarbeiter namens ..., in dessen Verlauf sich ... selbst in Widersprüche gebracht hätte. Rathfelder stellte das Gespräch so dar, daß er als Sieger daraus hervorging. (...) Gegen 16.30 Uhr begab sich die Quelle und Rathfelder im PKW, pol. Kennzeichen ..., zu Rathenow. Der PKW parkte weit entfernt von Templins Wohnung in der ...straße. Über Umwege und dem Verdacht des Rathfelder, einer Beobachtung des MfS ausgesetzt zu sein, fuhr Rathfelder auf den Parkplatz vor dem Berliner Bremsenwerk (nahe Bhf. Ostkreuz) und lief mit der Quelle zu Fuß zu Rathenows Wohnung. Unterwegs kehrten sie in eine Kneipe ein und jeder trank 4 Bier und 4 Korn. Rathfelder beglich die Rechnung großzügig mit 22 Pfennig Trinkgeld. In der Kneipe sicherte Rathfelder eine Unterstützung der Quelle zu (keine Arbeit, kein Geld), stellte Veröffentlichungen in Aussicht und erzählte überschwenglich aus seinem persönlichen Leben und politischen Entwicklung. Nach ca. 1 Stunde Aufenthalt in der Kneipe liefen die Quelle und Rathfelder zur ...str.3, wo vor dem Haus Rathenow gegen 18.00 Uhr angetroffen wurde. Die Quelle hatte den Eindruck, daß Rathenow den Rathfelder erstmalig sah, und lud alle in die Wohnung ein, zuvor gingen sie in eine Kaufhalle und die Quelle kaufte für die Ehefrau von Rathfelder (Carol) einen Pralinenkasten.

In der Wohnung von Rathenow wurde sich über die Ereignisse zu Pfingsten unterhalten, wo sich Rathfelder für Meinungen von Rathenow interessierte. (...) Die Quelle schätzt ein, daß Rathenow gegenüber Rathfelder sehr überschwenglich auftrat und sich überall in den Vordergrund drängte. (...) Um 21.45 Uhr verabschiedeten sich die Quelle und Rathfelder von Rathenow, begaben sich zum PKW vor dem Bremsenwerk und fuhren auf Umweg und dem „Verfolgungsfimmel“ von Rathfelder zum „Café Prenzlau“ (...) Vor dem Café wartete Templin, Wolfgang auf die Quelle und Rathfelder (...) Die Quelle „schob“ anderweitige Gründe vor und verabschiedete sich von beiden. Rathfelder sicherte der Quelle die versprochene Unterstützung zu und es erfolgte ein Visitenkartenaustausch (...)“

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