Auch Ost-Grüne unter Stasi-Einfluß

■ „Report“-Sendung: Direkte Stasi-Beteiligung an der Gründung der DDR-Grünen im November 1989

Berlin (taz) — Die Parteigründung der Grünen im Osten Deutschlands ist maßgeblich vom Staatssicherheitsdienst beeinflußt worden. Das berichtete gestern abend das ARD- Fernsehmagazin Report aus Baden- Baden. Henry Schramm, einer der Parteigründer, war demnach länger als zehn Jahre Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. Unter dem Decknamen „Hansen“ soll der Ingenieur und führende Kopf der Umweltbewegung in der DDR bereits seit Anfang der 80er Jahre regelmäßig dem Staatssicherheitsdienst berichtet haben.

Einmal im Monat soll er seinem Führungsoffizier „Michael“ detailliert „Pläne und Aktionen der oppositionellen Szene“ ausgeplaudert haben — bei der Gründung der „Grünen“ am 24. November 1989 sei die Stasi über ihn „zentral beteiligt gewesen“. Mielkes Männer hätten somit alle Entscheidungsprozesse überwachen und beeinflussen können. Henry Schramm hat vor längerem seine IM-Tätigkeit seit 1982 eingestanden; zuvor war seine Akte im Prozeß der Stasi-Auflösung gefunden worden.

Die Parteisprecherin der Grünen, Anne Nilges, widersprach gestern umgehend der Report-These, wonach die DDR-Grünen an der langen Leine der Staatssicherheit angebunden waren. Die Partei sei im Gegenteil von Menschen gegründet worden, die in ihrer Mehrzahl der Friedens- und der Menschenrechtsbewegung angehört und in Opposition zum SED-Regime gestanden hätten. Keine Neuigkeit sei auch, daß sich die Stasi „zum Zwecke der Bekämpfung und Einflußnahme“ an der Gründung oppositioneller Parteien beteiligte.

Helmut Lippelt, Mitglied des grünen Bundesvorstandes, hieb in dieselbe Kerbe: Das „Netzwerk Arche, die Geburtszelle der grünen Partei in der ehemaligen DDR, war genauso durchsetzt mit Spitzeln wie andere Oppositionsgruppen“. Die grüne Partei sei „im harten Ringen“ mit den „damals für Freunde gehaltenen und noch nicht als IM entdeckten Spitzeln“ gegründet worden. Der Stasi sei es letztlich nicht gelungen, die Parteigründung zu verhindern.

Nach Angaben von Report liegen der Redaktion auch „vertraulich eingestufte Gesprächsprotokolle mit DDR-Spitzenpolitikern“ der Bundestagsfraktion vor. Sie sollen „eindeutig die meinungsführende Rolle“ des früheren grünen Bundestagsabgeordneten Dirk Schneider belegen. Schneider, zuletzt Abgeordneter der Linken Liste/PDS im Berliner Abgeordnetenhaus, war von 1975 bis 1989 Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. Der IM Schneider, so Report, habe als deutschlandpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von 1983 bis 1985 den Kurs der Grünen gegenüber der DDR im Sinne der SED bestimmt. Sprecherin Nilges betonte: „Die Grünen haben ein existentielles Interesse an der rückhaltlosen Aufklärung aller Versuche der Stasi, Spitzel in unsere Reihen einzuschleusen und unsere Politik zu bestimmen“. So sei bereits eine Recherche in den Archiven der ersten grünen Bundestagsfraktion und des damaligen Bundesvorstandes in Auftrag gegeben worden. Ermittelt werden soll, „wie und mit welchem Erfolg der Stasi-Mitarbeiter Dirk Schneider Einfluß auf die grüne Deutschlandpolitik genommen hat“.

Aufgeschreckt wurden die Grünen Report zufolge „von aktuellen Enthüllungen und der Information aus der Gauck-Behörde, daß ein Spitzenagent mit Deckname ,Ludwig‘ und etwa ein Dutzend Informelle Mitarbeiter gespeichert“ seien. Sie sollen seit 1982 im Bundesvorstand der Grünen aktiv gewesen sein. Wolfgang Gast