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Karriere trotz Philosophiestudiums

Ein neuer Ratgeber empfiehlt den Umsteiger-Aufstieg im Unternehmens-Management/Dabei geht es nicht um Selbstverwirklichung in netten Jobs, sondern um die knallharte Karriere  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Der heutige Chef der Bayerischen Landesbank studierte in seiner Jugend Orientalistik und Philosophie; die Doktorarbeit von Hans Peter Linss behandelte noch die wirtschaftsfernen „Probleme der islamischen Dogmatik“. Der Einstieg in die Bankierslaufbahn glückte im Auslandssekretariat der Deutschen Bank. Ein Weg in die große Welt der Wirtschaft, der den meisten GeisteswissenschaftlerInnen unter den 130.000 arbeitslosen HochschulabsolventInnen ebenso verschlossen bleiben wird wie der unzufriedenen Hälfte jener berufstätigen GermanistInnen, PhilosophInnen und SoziologInnen, welche ihren Arbeitsplatz nicht als Dauerlösung sehen.

Ein paar zusätzliche „Geisteswissenschaftler in der Wirtschaft“ sähe Marco Montani Adams, Herausgeber des gleichnamigen Samplers, gerne. Immerhin kennen die USA oder Japan nicht die strikte Trennung in Wirtschafts-, Natur- und Geisteswissenschaften, und dort soll der Einsatz von generalistischen Fähigkeiten sowie sozialer Kompetenz ökonomisch schadlos verlaufen sein.

Betriebswirt und Kaufmann Herbert Henzler, Deutschland-Chef der Rationalisierungsfirma McKinsey, resümiert selbstkritisch eine Langzeitstudie des US-Multis AT&T: Danach waren die AbsolventInnen der „Liberal-arts“ in der allgemeinen Unternehmensführung oft erfolgreicher als ManagerInnen mit einem allein wirtschafts- oder ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund.

Entsprechend verfehlt der Titel des Ratgebers dessen Inhalt. Mit „der Wirtschaft“ meinen die AutorInnen lediglich die gewichtigen Banken und Versicherungen, Konzerne in Handel und Industrie. TaxifahrerInnen, Öko-LadenbesitzerInnen, TischlerInnen oder betriebliche DrogenberaterInnen kommen nicht vor. Und es geht Adams&Compagnie auch nicht um irgendwelche netten Jobs, sondern um die richtig knackige Karriere. Liebevoll beschreibt der Herausgeber den Weg seines Freundes Karl vom Historiker zum Banker im Planungsstab für neue Finanzdienstleistungen: „Karl ist einer, der es geschafft hat.“

Seit 1985 verantwortet Henning Ritter die Mittwochsbeilage „Geisteswissenschaften“ der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘. Das schafft Optimismus und rechtfertigt sein Klagen über die „kulturpessimistische Färbung der deutschen Geisteswissenschaften“. Für sie ist die Wirtschaft ebenso wie die Macht etwas „an sich Böses“. „Was tun?“ fragten sich Adams und seine Autoren angesichts der prekären Lage und fanden 14 westdeutsche Universitäten mit Kursen zur Vorbereitung auf den späteren „Einstieg in studienfremde Tätigkeiten der Wirtschaft“. Warum quälen sich diese Leute eigentlich mit Geisteswissenschaften herum, frage ich mich verwirrt, etwa zum Einstieg in studienfremde Arbeiten?

Zugleich zeigt sich hier der gemessen an den ökologischen und sozialen Herausforderungen geringe Einstellungswandel der Unternehmensführungen. Dafür haben die gesellschaftlichen Notwendigkeiten ein Umdenken vieler GeisteswissenschaftlerInnen verursacht. Wer nagt schon gerne, aber schmerzgeschüttelt am berühmten Hungertuch? Der Ruf nach „arbeitsmarktgerechten“ Studiengängen — von früheren Generationen verspottet — findet heute seinen praktischen Niederschlag in den Curricula. Bekanntlich war früher ohnehin alles besser.

Lesespaßtechnisch wie inhaltlich bewegt sich das Buch innerhalb einer Spannbreite von der amüsanten Satire Gerd Jellinghaus' über die aufgeblasenen Super-Anforderungen einschlägiger Stellenanzeigen bis zu den strohtrockenen Überlegungen von Christine Raatz über einen möglichen „Paradigmenwechsel“, selbstverständlich im Kontext „kognitiver Aspekte“. Dabei zeichnen sich gerade die Tours d'horizon, auch ich hege meine Lieblingsfremdwörter, durch die immer wiederkehrende Darstellung der Grundsachverhalte aus: Die gesellschaftswissenschaftlich ausgebildete Arbeitskraft verkauft sich nicht so doll in der privaten Wirtschaft.

Wer überhaupt oder gar einen guten Preis erzielen will, soll sich gefälligst am Riemen reißen — stringentes Schnell-Studium versteht sich von selbst, die berufliche Qualifikation zusätzlich aufmotzen und die eigenen Persönlichkeitsmerkmale stylen. Nicht einmal die Uniform „Anzug und Krawatte“ — was trägt eigentlich die Führungsdame von Welt? — wird von Adams und den Seinen in Frage gestellt.

Nicht die andere Sicht der GeisteswissenschaftlerInnen soll in die Ökonomie wirken, vielmehr sollen sie die effektiveren ManagerInnen in den alten Bahnen sein. Und auch die Aufsatzsammlung gibt wenig her für den im Vorwort postulierten Versuch, mittels durchgeistigter HochschulabsolventInnen in den Betrieben zur „Vernetzung von Kultur, Natur und Technik“ und somit zur Lösung der „drängenden Zivilisationsfragen“ beizutragen.

Trotzdem, wer gerade studiert und einen Weg in die Wirtschaft sucht, könnte das Buch ebenso zur Hand nehmen wie Menschen, welche die Suche nach Tips für ihre nächste Bewerbung reizt. PersonalchefInnen dürften einige Klischees verlieren. Ein Muß ist das Werk für all jene, die schon immer etwas gegen die Karriere in „der Wirtschaft“ hatten. Hier können sie erfahren, warum sie so verkehrt nicht lagen: Auch Magengeschwüre sollen schmerzen, heißt es.

Marco Montani Adams (Hg.): Geisteswissenschaftler in der Wirtschaft · Starthilfe und Aussichten, Campus Verlag, Frankfurt/Main und New York 1991, 172 Seiten,

26 DM

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