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Ein moderner Ägypter

■ Nagib Machfus' neuer Roman

Der junge Sabir erfährt von seiner sterbenden Mutter, einer ehemals reichen und mächtigen Bordellbesitzerin in Kairo, daß sein Vater kein Zuhälter, sondern ein wohlhabender Geschäftsmann aus Alexandria gewesen sei. SeineSpur ausfindig zu machen, wird zur einzigen Hoffnung Sabirs, um selbst einem Dasein als Zuhälter oder Taschendieb entgehen zu können. Doch während er Tag für Tag darauf wartet, daß der Vater auf seine Zeitungsannonce reagiert, findet er sich plötzlich zwischen zwei Frauen wieder.

Machfus führt uns hier ins moderne, säkulär empfindende Ägypten — freilich nicht in das der Reichen, sondern in das der Hoffnungslosen, wo jede Gefühlsregung — jede Ablenkung vom materiellen Interesse — zur Katastrophe führt. Die schöne Karima, die einen alten Hotelbesitzer geheiratet hat und Sabir zum Mord anstiftet, kommt selber durch ihn um. Und Illham, die junge Zeitungsangestellte, die eine sichere berufliche Zukunft zu haben scheint, begeht die Dummheit, sich in den charmanten Unbekannten zu verlieben. Erst kurz vor der Hinrichtung führt eine zufällige Spur zu Sabirs Vater, der nachzugehen freilich sinnlos scheint...

Literarischen Anspruch bekommt diese mit Liebesszenen gespickte Kriminalgeschichte durch das Mitzeichnen der geschäftigen und doch dumpfen Atmosphäre ägyptischer Großstädte, in denen das Schicksal des Einzelnen schon lange nichts mehr gilt — selbst wenn er wohlhabend und einflußreich ist wie Sabirs Vater.

Wie die Südafrikanerin Nadine Gordimer, zählt Machfus die populären russischen und französischen Autoren des 19.Jahrhunderts zu seinen Lehrmeistern und kommt damit den Lesegewohnheiten des breiten Publikums weltweit entgegen. Außerdem schrieb er einen Großteil seines Werkes als Fortsetzungsromane für die Kairoer Tageszeitung 'Al Achram‘. Damit entging er wiederum der Langstiligkeit, die traditioneller orientalischer Literatur oft eigen ist: Ein Spannungsbogen ist in jedem Kapitel garantiert.

Weil Machfus an seinen Figuren nicht nur die spezifisch moslemischen, sondern auch die von der Moderne erzeugten Charakterzüge und Sehnsüchte herausarbeitet, vermag er glänzend als Scharnier zwischen der europäischen und der islamischen Kultur zu vermitteln. Gerade deshalb ist er aber ein Dorn im Auge mancher moslemischer Eiferer. Nagib Machfus ist von einem selbsternannten Gericht moslemischer Bruderschaften zum Tode verurteilt worden. Er lehnt es jedoch ab, sich zu verstecken. Nie im Leben hatte er Lust, ins Ausland zu fahren, nicht einmal den Nobelpreis mochte er persönlich in Empfang nehmen. Machfus will weiter nichts als ein moderner Ägypter sein. Wenn er sein Frühstück in einem Café beendet hat, geht der alte Mann in sein Büro bei 'Al Achram‘, seiner Zeitung, für die er täglich eine Rubrik von zehn Zeilen schreibt — und möglicherweise auch noch einmal einen Fortsetzungsroman. Sabine Kebir

Nagib Machfus: Die Spur. Aus dem Arabischen von Doris Kilias. Unionsverlag, Zürich, 180 Seiten, geb., 26DM.

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