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Nimms als Mittagessen

■ Woody Allens SommernachtsSexKomödie im Theater am Kurfürstendamm

Männer sind entweder tote Fische oder Nähmaschinen.« Um diese dramatische Kategoriebildung nach männlicher Beischlafstellung hat Woody Allen seine Version des shakespearschen Verwirrspiels konstruiert. Bei ihm ist die zeitweilige Gefühlsverblendung freilich nicht ein Scherz aus dem Märchenreich: wie den im Titel eingefügten drei Buchstaben zu entnehmen, hat er die zaubertrankbedingte Triebumleitung in die bekannte Reaktionsbildung aufgrund allgemeiner spätgesellschaftlicher Luftverstopfung übersetzt. Einen Tag vor der geplanten Hochzeit wird der aufgelaufene Sexfrust der drei versammelten Paare kurzfristig nochmal in Umlauf gebracht. Der dafür verantwortliche Kobold hockt natürlich in der männlichen Hose; er ist auch für alle tragikomischen Verwicklungen des Abends verantwortlich; er entscheidet, ob die Kathartisierung von der Kategorie der toten Fische in die der Nähmaschinen möglich sein wird und schließlich, ob der Sex, an die Stelle der ehrenwerten Grundhaltungen von Furcht und Mitleid getreten, ausgetrieben oder angelernt werden kann: vom oder zum Sex befreit ist die den Philologen des kommenden Jahrtausends aufgegebene Frage — wie hat es der authentische Woody Allen wohl authentisch gemeint?

Woody Allen läßt den Männern ihre Illusionen. Eigentlich haben sie alle Nähmaschinennaturen. Die Stellung der toten Fische ist, wie anders, durch die Haltung der Frauen bedingt. Sie muß folglich zum Geständnis ihrer bislang verheimlichten Seitensprünge befreit werden, damit er den fliegenden beziehungsweise liegenden Wechsel von der Impotenz- in die Könnerposition vollziehen kann. Der Protagonist, eine Alter- Allen-Figur, mit der bekannten Hornbrille, den bekannten verkniffenen Oberschenkeln und dem gewissen starren Nichtwisserblick wird in einem »angespritzten« Beischlaf zu seiner Ehefrau und zur Nähmaschinenkategorie bekehrt.

Aber beginnen wir von vorne: Die drei Paare, die sich zusammenfinden, um am folgenden Tag die Hochzeit der fatalen Ariel (Raphaela Dell) mit ihrem Kunstprofessor zu begehen, spielen binnen kurzem das berühmte Kreisspiel der siebziger Jahre: als jeder jede einmal usw., ist »die Chance der letzten Nacht« ausgespielt, die Hochzeit geplatzt — findet das ganze zu keinem richtigen Schluß. Der Professor radelt mittlerweile bereits im Himmel, der Arzt bleibt trotz der Schußwunde auf der Stirn von seiner Krankenschwester (Astrid Kohrs) durch tiefe Liebessehnsucht getrennt, nur Frauchen und Herrchen finden wieder zusammen: der eingestandene Seitensprung setzt ungeahnte Libidoströme zwischen den Stäben eines Balkongitters frei.

Im Theater am Kurfürstendamm unter der Regie des Tschechen Jiri Menzel ist das unfreiwillig klemmige Klemmspiel in eine walt-disneyhafte Farbigkeit eingefügt; die Dame des Hauses (Christine Schild) spricht immer wie Bambi; die aufgestellten Bäume ebenso wie das männliche Dreigestirn (Rudolf Bisseger, Ilja Richter und Joachim Bliese) erreichen nicht einmal Comictiefe, die Wolken sind aus überdimensionalen Kaugummiflaschen zusammengeklebt und der Wortwechsel bringt sich durch deutsche Dehnung, Hebung und Senkung um seine Pointen — der Zuschauer beginnt zu vermuten, daß nicht nur die Ehe der Tod aller Hoffnungen ist.

Die besten Akteure des Abends sind die Maschinen, kleine Ehemannmonster, die der Alter-Allen offensichtlich aus Kompensationsgründen konstruiert; sie knallen gelegentlich unerwartet durch das klebrige Psychogeschehen hindurch. Auch die Luftfahrradfahrt des Alter- Allen mit anschließender tönender Bruchlandung geht auf halber Prospekthöhe mehrmals gut durch. Anders schon wieder die Laterna Magica, die die Gesichter aller Mitwirkenden rosa und hellgrün erleuchtet und das von ihr reflektierte Bühnengeschehen trotz klingender Kugelgestalt nicht ins Plastische übersetzt.

Da hilft auch nicht der dazwischenflatternde »gelbbäuchige Saftlutscher«, der kurzfristig die Bäuche des Publikums flattern läßt, oder der Satz, in dem der Baumstumpf, auf dem sich die beiden verquer Liebenden lieben und frusten, als morsch und daher schuldig befunden wird.

Auch der zum antiken Eros mutierte Professor kann mit Pfeil und Bogen den Lauf der Triebe nicht in ihre richtige Poesie- und Leidenschaftsbahnen zurückschießen: er selbst stirbt dahin im zu heftigen Liebesakt. Zur Komödie retten nicht, trotz ihrer Anführungen im Programmheft, das Make-up von Juvena, kreiert von Rene Koch, noch die Spezialanfertigung der Ilja-Richter-Kostüme im Atelier Günter Adam noch die Frisurenbetreuung durch Udo Walz. Mit dem Satz, die Menschen sind nicht das, was sie scheinen, und dem darauffolgenden Kommentar: »Täuschung« — klingt der verzettelte Traum in sanftem Rosagelbviolett aus. Michaela Ott

Theater am Kurfürstendamm 209, täglich um 20 Uhr.

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