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Knaststrafen für den „Schwachsinn“

■ Richter Halfar: Mit dem Dresdner Urteil gegen Wahlfälscher dürfe nicht das Ende bei der juristischen Bewältigung markiert werden/ Verteidiger Berghofers und Mokes wollen nun in Revision gehen

Dresden (taz) — Mit der gestrigen Urteilsverkündung im Dresdner Wahlfälschungsprozeß folgte der 3. Strafsenat am Bezirksgericht den Anträgen, aber nicht in jedem Punkt der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten, Dresdens Ex-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer und der Stadtparteisekretär Werner Moke, wurden zu je einem Jahr Gefängnis, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, und zu Geldbußen verurteilt. Die Verteidiger kündigten Revision an.

Richter Gerd Halfar gestand einen „mühsamen Weg“ des Gerichts zu dieser Entscheidung ein. Das Verfahren sei „überfrachtet“ gewesen von politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen. Letztlich sei das Gericht aber zu der Auffassung gelangt, daß die Handlungen der beiden Angeklagten nach den Gesetzen der DDR strafbar gewesen seien, und daß diese Strafnorm mit dem Einigungsvertrag übernommen wurde. Das in der DDR-Verfassung verbriefte Recht auf freie Willensäußerung der WählerInnen, so die Argumentation des Gerichts, sei nicht nur ein mit dem Fall der DDR untergegangenes Gemeinschaftsgut, sondern ein weiterbestehendes, individuelles Schutzgut. Die beiden Angeklagten haben in dieses Recht „erheblich eingegriffen“, als sie zur Fälschung der Wahl anstifteten und selbst fälschten. Halfar würdigte das „beeindruckende Plädoyer“ von Berghofer-Verteidiger Schily, der Freispruch beantragt hatte. In vielen Gedankengängen sei das Gericht dem Anwalt gefolgt. Doch das „Rechtswesen der DDR“ könne nicht im Handstreich beseitigt werden. Allerdings, und hier widersprach Halfar der Staatsanwaltschaft, wandle sich staatliches Unrecht nicht zu Recht, nur weil sich die staatlichen Strukturen der DDR gefestigt hatten.

Berghofer selbst habe erklärt, daß er nach vergeblichen Interventionen, „den Schwachsinn“ zu verhindern, resignierte. Erwiesen sei, daß es für den Schwindel zentrale Anweisungen gab; offen blieb für das Gericht, wer diese erteilte. Halfar erklärte hierzu, das Verhalten einiger Zeugen sei „an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten gewesen, und allein schon Strafe, nicht nur für die Angeklagten“. Ex-Wahlchef Krenz habe offensichtlich in der Marktwirtschaft gelernt, „daß man alles verkaufen kann“, aber er müsse noch hinzulernen, „daß man nicht alles kaufen muß“. Das Gericht kaufe ihm jedenfalls die Geschichte vom „vorauseilenden Gehorsam“ der kleinen Funktionäre und vom „fröhlichen Wettbewerb zur Wahl“ nicht ab. Selten habe Halfar erlebt, daß Angeklagte von Zeugen, mit denen sie früher zusammengearbeitet haben, „derart zynisch fallengelassen“ wurden. Der Prozeß, so der Richter abschließend, dürfe nicht den Endpunkt bei der juristischen Aufarbeitung markieren. dek

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