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Krawall in der Küche

■ »Dirty Dishes« (»Dreckiges Geschirr«) in der Schillertheater-Werkstatt

Ein Pizzateig fliegt durch die Küche: Drei Frauen und vier Männer haben eine große Wut im Bauch. Sie werden vom Pizzeria- Besitzer ausgenutzt und müssen am Halloween-Abend durcharbeiten. Schwarzarbeit und Erpressung — am Ende ist ihnen alles zuviel. Der Chef wird ermordet und in den Schrank gestellt.

Gespielt wird Dirty Dishes (Dreckiges Geschirr), ein brisantes, wichtiges, aber leider auch schwaches Stück des Londoner Dramatiker- Stars Nick Whitby zum Thema AusländerInnen. Platt und unzulänglich ist die Figurenzeichnung — Realismus hält das Stück nicht aus. Am Schillertheater behilft man sich mit dem dort mittlerweile üblichen Einheitsrezept: Slapstick. Die gestylten Auftritte und die gestylten Frisuren lassen es von Anfang an befürchten. Schrill und überdreht geriet die Werkstatt-Inszenierung von Katja Paryla. Wegen des ständigen Zuviels an Stimmung mag gerade diese nicht so recht aufkommen. Es wird übermäßig aufgetragen — an Getue, nicht an Speisen, wie man vermuten könnte, denn der Pizzeria-Besitzer ist ein Geizhals und Ausbeuter, der seine guten Seiten nur in Form eines Doppelgängers ausspielen kann. Die unschlüssige und unnötige Doppelgängerrolle (ob Brechts Der gute Mensch von Sezuan dafür Modell gestanden hat?) ist neben dem Hang zum Plakativen eine der Schwachstellen des Textes.

Während das Münchener Volkstheater, das sich des Werks unter dem Titel Dreckats Geschirr vor einigen Monaten annahm, die Herkunftsländer und Küchen-Crew an die deutschen Verhältnisse anpaßte, kommen die Protagonisten in der Berliner Inszenierung — wie im Original — vor allem aus Südamerika. Wobei man nicht sehr spezifizierte, wie auch die Aufführung überhaupt nicht ins Detail ging und dadurch die wenigen möglichen Spannungsmomente verspielte.

Woher kommen die forsche Lizzie, der bekiffte Edgar, der an einer Pfefferoni-Allergie leidende Valerio, die naiv-hysterische Diane? Aus Italien jedenfalls nicht, denn sie können nicht einmal die Pizza »Quattro stagioni« richtig aussprechen. Daß es sich um AusländerInnen handelt, merkt man nur an ihren Flüchen und Liebeserklärungen, an ihrer Streitsucht und Geilheit. Alles ist lächerlich und alles gleich. Das Undifferenzierte und Klischeehafte des Originaltextes wird zwar in der deutschen Übersetzung von Hans Thoenies und Erika Hermann entschärft, durch die Inszenierung jedoch wieder betont. Schade um das Thema!

Das akrobatische Ensemble spielt mit so viel Schwung und Kraft — vor allem Ivan Gallardo als rebellischer Carlos und Suzanne von Borsody als forsche Lizzy —, daß es einem leidtut, im falschen Stück zu sitzen. Da hilft auch das gelungene Bühnenbild von Arno Breuers nicht. Durch die schmuddelige Küche, in deren Mitte eine Wendeltreppe in die höhere Etage führt, huschen die AusländerInnen in rosa T-Shirts, rosa Plastikschürzen und rosa Hütchen. Auch zwei der Herren sind in Rosa gekleidet. Ein dritter hat eine rosa Brille auf, die ihm das Publikum neidet. Margit Knapp Cazzola

Schillertheater-Werkstatt: Dirty Dishes. Nächste Aufführung ist heute.

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