: Olympiade als Operation Mountainstorm
Albertville (taz) — Geld regiert die Welt. Dieser in seiner ganzen Schlichtheit doch so unheimlich wahre Satz, den Karl Marx in ausführlicherer Form in viele blaue Bände hat binden lassen, bestätigt sich wieder einmal eindrucksvoll in den Savoyer Alpen, wo die US- amerikanische Fernsehgesellschaft CBS bei den olympischen Winterspielen... ähm, das wären olle Kamellen, finden Sie? Interessiert heute keinen mehr? Antiquierte Scheiße das?
Na schön, dann heute mal keine schweifigen Auslassungen über den Zusammenhang von Moneten, Macht und miesen Menschen. Es gilt also lediglich nüchtern festzustellen, daß CBS für das Recht am fünfringigen Affentheater 245 Millionen Dollar bezahlt hat und damit völlig zu recht davon ausgeht: Uns gehört alles, die anderen mögen bitte zurücktreten und stillhalten. Okay, nichts dagegen. So sind die Regeln. (Konsequenterweise werden Menschen in und um Albertville in zwei Kategorien eingeteilt: Rightholders und Non-Rightholders, also die mit den Fernsehrechten und entsprechendem Zeichen am Revers und den trüben Rest.)
Immerhin, ein paar Konsequenzen hat das schon. Der CBS-Stab dieser Operation Mountainstorm umfaßt 1.000 Personen. In Worten: Eintausend. Nicht mitgezählt der Haufen von 'ap‘ und 'upi‘ und 'Sports Illustrated‘ und 'Washington Post‘ und 'US Today‘ und und und, kurzum: jede Menge Yankees. Und da sind wir schon bei der für heute zentralen Frage: Warum sind diese Leute so unsäglich unerträglich laut?
Laut? Lärmig? Zu wenig, zu harmlos diese Worte. Wer das Pech hat, zufälliges Opfer einer freundlichen Ami-Anrede zu werden („High, John Jockwredge, 'L.A. Times‘, where'e you from.“), fühlt sich, als werde er vom Druck der Rotorblätter eines Helikopters erfaßt. Einfach umwerfend. Yankees dröhnen beim Reden wie eine 800-Watt- Box mit übergroßem Baßlautsprecher. Nur: wieso?
S. behauptet, es käme von der Größe des Landes. Historisch gesehen hätten Unterhaltungen über weite Entfernungen stattfinden müssen und die Menschen gezwungen, lauthals zu rufen. Das überzeugt nur halb, erklärt aber zumindest ein Phänomen: Die aus den Mündern der Yankees donnernden Taifune und Windhosen sind gänzlich unabhängig vom Umfang des jeweiligen Torsos. Selbst klein gewachsene Männer und Frauen mit nur mäßigem Brustkorb schaffen noch einen Hurrikan zu entfachen, der im Zentrum verhehrende Wirkung zeitigt.
So geschehen in La Plagne, jener von der ökologischen Katastrophe in Form einer Bob- und Rodelbahn heimgesuchte Ort oberhalb Albertvilles. Dort haben ein bayerischer Wurstwarenhersteller und ein Bierbrauer der Gemütlichkeit wegen in einer Garage das „Kufenstüberl“ eingerichtet, wo — zünftig, zünftig — neben einem prasselnden Donnerofen und unter weiß-blauen Plastikherzen Würstl und Weizen übern Tresen gehn.
Der Wirt ist freundlich („Kaffee? Gehns weg, do homs a Weißbier.“), besser: Er war es. Seit gestern ist er nicht mehr. Davongepustet von einem obelixfetten Yankee, der sich auf seine Art für die dargebotenen Köstlichkeiten bedanken wollte. „Sell this in the States“, schrie der rotbärtige Teufel tosend, und noch ehe er dem armen Schankkellner auf die Schulter klopfen konnte, wurde dieser vom Luftstrudel erfaßt, hob vom Boden ab, wirbelte um die eigene Achse, drehte noch eine Schleife um den Donnerofen, zog auf dem Weg durch die Schiebetür noch einen Schwanz aus Schinken, Leberwurst und süßem Senf hinter sich her — und wurde über die Berge hinweggetragen.
„Jo verreck“, rief er noch verzweifelt, dann war er weg. Franz Bär
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