: Ärgerliche Null-Linie
■ „Wie bitte?“, Sa., 22.00 Uhr, RTLplus
Seit 15 Jahren erfreut sich die populär-investigative Sendung That's Life im britischen Fernsehen größter Beliebtheit. Surrealistischer Amtsschimmel, Schildbürgerstreiche in der Verwaltung und Nachbarschaftskriege um harmlose Wichtel oder überstehende Zweige sind die Themen.
Auch hierzulande ziehen jährlich rund eine Million Nachbarn gegeneinander vor Gericht. Bis zur letzten Instanz. Sie produzieren Aktenberge, für die man ganze Wälder kahlschlagen muß. Die rekordverdächtige Prozeßwut blockiert den Justizapparat. Streitigkeiten mit unliebsamen Nachbarn zählen zur häufigsten Prozeßform. Nach den Verkehrsdelikten, versteht sich.
In England, so wird berichtet, reicht die bloße Androhung, mit einem Nachbarschaftsstreit an That's Life heranzutreten, um jeden Konflikt augenblicklich zu schlichten. Ein Ruf, von dem die von Rudi Krawall mitproduzierte deutsche Ablegersendung Wie bitte? nur wird träumen können. Wo der Engländer seinen Witz mit coolem Understatement entfaltet, wird in der deutschen Version Wie bitte? grobschlächtig gepoltert. Zwar wies Moderator Müller-Gerbes wiederholt darauf hin, daß man sich in der ersten Sendung mangels Zuschriften noch aus eigener Kraft hat bemühen müssen. So wurde vor einer Disko eine Umfrage gemacht, ob laute Musik impotent mache. Es wurde von einem Nachbarn berichtet, der gerichtliche Schritte gegen ein Rambo-Plakat unternahm, das im Fenster des Hauses gegenüber hängt. Und schließlich von einem Diskobesitzer, der auf der Tanzfläche einen gesuchten Bankräuber erkannt hat, die Polizei anruft und von einem bürokratisch sächselnden Beamten abserviert wird. Das Potential für einen Witz steckt da schon drin. Theoretisch.
Streitfälle, absurde Verwicklungen und Psychopathologie des Alltags wurden jedoch von Kabarettisten in Sketchform nachgespielt: so ähnlich wie bei Pfleghars Die lieben Verwandten, abgestandener Trouble aus zweiter Hand. Wenn eine derartige Sendung etwas bringen soll, muß man die Kontrahenten selbst zu Wort kommen lassen. Wie in Mischka Pop und Thomas Bergmanns Dokumentation Giftzwerge.
Das Mindeste sind aber bessere Darsteller. Ein bißchen Zurückhaltung, und der Witz kommt von alleine. Aber nein! Wenn man beim Vortrag auf jede Pointe drückt wie auf eine alte Zahnpastatube, dann ist das wie beim Zusammentreffen von Wellenberg (Witz) und Wellental (Vortrag): Es entsteht eine Null-Linie. Das Ganze erinnerte mehr an Amateurtheater als an eine TV- Show. Man beginnt, die Geschmacklosigkeiten eines dauerbetrunkenen Karl Dall zu vermissen, die vorher auf diesem Sendeplatz ausdeliriert wurden. Manfred Riepe
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