Filetstücke zu Kotelett-Preisen

Die EG beschäftigt sich mit den umstrittenen Grundstücksverkäufen des Berliner Senats am Potsdamer Platz/ Konzerne müssen wahrscheinlich nachzahlen/ Senat als billiger Jakob für Investoren  ■ Von Eva Schweitzer

Berlin (taz) — Die umstrittenen Grundstücksverkäufe am Potsdamer Platz waren für die Berliner Landeskasse ein Verlustgeschäft. Zwei große Grundstücke im Herzen Berlins waren an Daimler-Benz und den japanischen Elektroriesen Sony gegangen. Beide Verkäufe werden derzeit von der EG-Kommission in Brüssel geprüft. Die Begründung: Der Senat habe womöglich zu billig verkauft. 1.505 DM den Quadratmeter zahlte Daimler für sechs Hektar, etwas über 3.000 DM den Quadratmeter Sony für drei Hektar mitten in der besten City-Lage. Eine Entscheidung aus Brüssel wird frühestens im März erwartet.

Beide Verkäufe wurden zu Zeiten des rot-grünen Senats eingeleitet. Besiegelt wurden sie jedoch erst, als die Mauer schon gefallen war. Der Gutachterausschuß der EG hat inzwischen ermittelt, daß allein das Daimler-Grundstück zur Zeit des Verkaufs 179,7 Millionen DM wert waren — der Technoriese zahlte aber nur 93 Millionen. Die Marktpreise in der Gegend stiegen seitdem noch um ein Vielfaches. Schon 1990 mußte Daimler-Benz für ein kleines Grundstück am Platz, das die Firma für ihr geplantes Dienstleistungszentrum brauchte, 13.600 DM für den Quadratmeter zahlen. Das bisher bekannte Höchstgebot am Potsdamer Platz — ein Grundstück, das der Firma Roland Ernst von privat angeboten wurde — lag bei 25.000 DM den Quadratmeter. Der Grund für diese Differenzen liegt unter anderem darin, daß der Berliner Senat für seine Grundstücke prinzipiell nicht den Marktwert, sondern den niedrigen — von einer Behörde ermittelten — Verkehrswert verlangt, um nicht die Spekulation anzuheizen. Nur: die Verkehrswertermittlung hinkt in der Regel um bis zu einem Jahr hinter dem realen Marktgeschehen her. Dabei wird der Senat demnächst zum Marktwert kaufen müssen: Das Land Berlin hat sich gegenüber Daimler- Benz verpflichtet, ein 800 Quadratmeter großes Sperrgrundstück zu erwerben und an Daimler für 1.500 DM den Quadratmeter weiterzuveräußern. Nachdem das Land aber wohl kaum das Grundstück zu diesem Preis von dem privaten Eigentümer bekommen wird, wird auf die öffentliche Hand womöglich ein Verlust in Millionenhöhe zukommen, wie die Berliner Grünen befürchten.

Das ist aber noch nicht alles. In die Verträgen mit den Konzernen wurde die zulässige Geschoßflächenzahl bereits hineingeschrieben. So bekam Daimler eine GFZ von 4, Sony eine von 4,5 zugemessen. Das bedeutet, daß der Investor pro Quadratmeter Grundstücksfläche 4 beziehungsweise 4,5 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche errichten darf. Es ist leicht nachvollziehbar, daß jede Erhöhung der GFZ und die damit verbundene bessere Ausnutzung der Grundfläche für den Investor bares Geld bedeutet. Für gewöhnlich wird dies auch im Grundstückspreis berücksichtigt.

Nicht so am Potsdamer Platz. Sony soll laut Vertrag pro 0,1 GFZ, die es mehr baut als vorgesehen, die lächerliche Summe von 30DM den Quadratmeter nachzahlen, Daimler gar nur 25DM den Quadratmeter. Eine harte Auseinandersetzung um den Architekturentwurf, den beide Firmen mit dem Senat geführt haben, endete im Dezember letzten Jahres damit, daß statt der ursprünglich vorgesehenen Traufhöhe von 35 Metern die Investoren nun bis zu 100 Meter hoch bauen dürfen. Sie erreichen damit eine GFZ von 5,0, oder anders ausgedrückt: Daimler darf 60.000 Quadratmeter vermietbare Fläche mehr bauen, Sony immerhin noch 15.000 Quadratmeter mehr, als zunächst vertraglich festgelegt. Die Nachzahlung an das Land Berlin beträgt bei Sony aber nur 4,6 Millionen, bei Daimler 15 Millionen DM.

Womöglich kommen auf das Land Berlin aber noch andere Kosten zu. So sei es nicht ganz klar, berichtete der Investorenbetreuer des Senats, Ortwin Ratei, wer nun die Erschließungskosten für das Gelände tragen werde. Auf dem Papier ist der Potsdamer Platz erschlossen, tatsächlich dürften wohl eine Reihe von Versorgungsleitungen verrottet sein. Und schließlich irritierte Wirtschaftssenator Meisner die Öffentlichkeit mit dem Vorschlag, die Ablösesummen für Stellplätze abzuschaffen. Dies würde allein Daimler weitere 170 Millionen DM ersparen, errechneten die Grünen.

Ganz umsonst bekam schließlich der Hertie-Konzern sein Grundstück — aber auch hier mußte der Senat bezahlen. Das Hertie-Grundstück auf dem sogenannten Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz gehört zu einer knapp 100 Hektar großen, unzusammenhängenden Fläche, die der Senat 1988 von der damaligen DDR für etwa 90 Millionen DM kaufte. Auf dem Lenné-Dreieck sollte eine Autobahn längs des Mauerstreifens führen. Die Grundstücke mußten jedoch, soweit sie Privateigentum waren, zurückgegeben werden. Man habe eben damals nicht damit rechnen können, daß das einmal eine wertvolle City-Lage würde, meinte ein Sprecher der Berliner Finanzverwaltung dazu. Aber Hertie hätte inzwischen sein altes Grundstück so oder so zurück, auch wenn das Land Berlin das Lenné-Dreieck damals nicht gekauft hätte. Noch nicht beschlossene Sache ist der geplante, vierte Verkauf eines Grundstücks am Potsdamer Platz. Die in Süddeutschland ansässige Firma Asea Brown Bowery (ABB) will hier ebenfalls ein Verwaltungsgebäude errichten. Über den Preis ist man sich noch nicht einig, er dürfte aber etwas höher als bei Sony liegen. Selbst die Berliner FDP-Fraktion, sonst ja eher der Wirtschaft zugetan, warnte den Senat davor, noch eines seiner zentralen Grundstücke zu verramschen.