: Kein Stich für Ost-Spielzeugindustrie?
Viele ostdeutsche Hersteller müssen um ihre Existenz bangen/ Gute Karten für Kleinbetriebe ■ Von Peter Huth
Nürnberg (taz) — Einen Grand mit Vieren? Davon kann die Spielzeugindustrie in den neuen Bundesländern nur träumen. Die rund neunzig Firmen, die sich in diesem Jahr auf der Nürnberger Spielwarenmesse präsentierten, spielen derzeit eher eine müde Null, ein Spiel, das bereits beim ersten Stich verlorengeht. Reisten die Ost-Aussteller im letzten Jahr noch voller Hoffnung auf neue Geschäftsabschlüsse nach Nürnberg, hat sich in diesem Jahr Ernüchterung breitgemacht. Die Spielzeughersteller aus dem Osten wollen erst einmal neue Kontakte aufbauen und sich dem Fachpublikum präsentieren— für manche Firma ein Grund, sich bei der Messeleitung für die nicht angemessene Plazierung zu beschweren.
Doch den meisten Firmen stehen schwere Zeiten ins Haus: Die meisten Unternehmen konnten das Wegbrechen des osteuropäischen Absatzmarktes nicht entsprechend kompensieren und schreiben tiefrote Zahlen. Andere haben versucht, über Gemeinschaftsunternehmen in den GUS-Staaten auf dem Markt zu bleiben und Teile ihrer „Made in Germany“-Produktion dort kostengünstiger herzustellen. Einige der rennomierten Hersteller sind bereits verschwunden: Die Brandenburgische Blechspielwaren GmbH wurde zum Jahresende abgewickelt; Piko Eisenbahnen steht bei der Treuhand zum Verkauf an.
Auch die Idola Spielwaren GmbH Sonneberg, eine Holding aus sieben thüringischen Firmen mit etwa dreitausend MitarbeiterInnen, mußte ihre Produktion einstellen — ein herber Reinfall für eine Firmengruppe, die mit ihrem traditionell starken Exportgeschaft in den Westen im vergangenen Jahr noch einen Umsatz von rund einhundert Millionen Mark angepeilt hatte. Aus drei sanierungsfähigen Idola-Betrieben wurde eine neue Firmengruppe, die Sonni Spielwaren GmbH Sonneberg gebildet; dort werden ab April noch knapp fünfhundert Beschäftigte Puppen, Plüschtiere und Holzspielzeug produzieren. Die Auftragslage liegt laut Firmenleitung bereits deutlich über der des Vorjahres — da lassen auch potentielle Käufer nicht länger auf sich warten. Bereits vier ernsthafte Bewerber haben bei der Treuhand angeklopft.
Probleme bereitet den Ost-Herstellern auch der Spielzeughandel. Bereits Mitte letzten Jahres waren wilde Gerüchte über einen Boykott ostdeutscher Spielwaren durch den westdeutschen Handel aufgetaucht. Toys 'R' US, der größte Spielzeughändler der Welt, versuchte gegenzusteuern: Zur Eröffnung eines Kaufhauses in Leipzig wurden demonstrativ Ost-Produkte geordert. Der übrige Handel blieb jedoch skeptisch: Man befürchtete Lieferengpässe, Treuhand-Eskapaden und weitere Firmenschließungen.
Ganz gute Karten druckt und mischt ein thüringisches Traditionsunternehmen, die „Altenburger Spielkartenfabrik“. Nachdem im Namensstreit die erste Runde gegen die westdeutschen Altenburger, die ASS AG, vor Gericht gewonnen wurde, fand sich ein neuer potenter Eigentümer. Der Spieleproduzent Schmid, nach den Ravensburgern Nummer zwei in der Gesellschaftsspielbranche, zog sich den Spielkartenhersteller aus der Geburtsstadt des Skatspieles an Land. Derweil produzieren die rund siebzig MitarbeiterInnen weiter Rommé- und Skatkarten, freuen sich über Lohndruckaufträge aus der Spielebranche und haben mit dem „Hurra Deutschland“-Blatt einen richtigen Renner gelandet.
Auch für die Hersteller der erzgebirgischen Volkskunst zeichnet sich ein Aufwärtstrend ab: Das Weihnachtsgeschäft lief wesentlich besser als erwartet. Selbst die Preissteigerungen um rund dreißig Prozent haben die Kundschaft nicht verprellt. Neben dem Fachhandel hatten auch zahlreiche Waren- und Kaufhäuser gesonderte Verkaufsstände für die Waren aus dem Erzgebirge eingerichtet.
Selbst die zahlreichen neu entstandenen und reprivatisierten Kleinbetriebe blühten in Nürnberg richtig auf: Das Ostergeschäft sei gelaufen, die amerikanischen Kunden nicht weggelaufen und japanische hinzugekommen.
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