: Verurteilung aufgrund erzwungener Aussage?
■ Merkwürdige Vergünstigungen für den Zeugen Bernatowicz
(...) Im August 1987 wurde ich überfallartig in meiner Wohnung im Bett verhaftet. Grund: eine unter Druck erfolgte Aussage! Verantwortliche Organe der Rechtspflege: Staatsanwalt Nowotsch und die Kriminalpolizei in Krefeld!
Dem „Geständigen“ Bernatowicz wurde anschließend die Flucht nach Polen — unter Mitnahme eines vom Autoverleih unterschlagenen Mercedes und der Sozialhilfe seiner Familie — ermöglicht. Man hob einfach einen Haftbefehl auf und setzte ihn, obwohl noch zwei weitere Haftbefehle bestanden, einfach auf freien Fuß, damit er sich in sein Heimatland absetzen konnte.
Die belastende Aussage zog Bernatowicz in einem Brief aus Polen zurück (siehe Kasten). Trotzdem nahm die 14. Strafkammer in Duisburg diese Aussage zum Anlaß, mich hier bis heute widerrechtlich einzusperren. Es schien sie auch nicht zu stören, daß der Zeuge seine Aussage in deutscher Sprache machte, obwohl er diese gar nicht lesen kann. Damit es bei dieser ominösen Vernehmung nicht zu Differenzen kam, wurde denn auch kein Dolmetscher hinzugezogen. Daß der Gesetzgeber bei jedem Strafverfahren den Zeugen vor Gericht vorladen und auch anhören muß, da sonst diese Aussage nicht gewertet werden darf, wußte sogar die Kammversitzende, Richterin Frau Fritz! Damit man ihr nicht vorwerfen sollte, sie habe sich nicht bemüht, den Zeugen zu erreichen, startete sie den vorhersehbaren Fehlversuch, ihn über die Zollbehörde in Frankfurt/Oder ausfindig zu machen. Das zur Zeit der DDR! Es ist heute noch ihr Geheimnis, was sich die Richterin dabei gedacht hat! Ein Urteil hätte, laut Strafprozessordnung der BRD, auf dieser Grundlage nicht erfolgen dürfen.
Nachdem man alle meine Entlastungszeugen als unglaubwürdig darstellte, wurde ich letztendlich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Meine Revisionsschrift ließ die Duisburger Justizbehörde anschließend in irgendeinem Winkel neun Monate liegen. Auf diese Weise habe ich bis heute bereits vier Jahre in Untersuchungshaft verbüßt, und dabei kann mit einem Revisionsverfahren in naher Zukunft noch nicht mal mehr gerechnet werden. Ein verurteilter Straftäter hingegen, der sein Urteil akzeptiert hat, wäre wahrscheinlich nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Haftstrafe entlassen worden.
An dieser Stelle würde ich als Außenstehender schon mehrfach den Ausdruck „Willkür“ gebraucht haben Wie sehen Sie es?
(...) Wer hier in Duisburg erst einmal in Haft genommen wurde, hat kein faires Verfahren zu erwarten. Entweder sind die ortsansässigen Rechtsanwälte durch Dauer-Pflichtmandatschaften abhängig wie Rentenempfänger oder sie werden von erfahreneren Richtern überfahren. Oder finden Sie als Außenstehender es an der Ordnung, wenn eingesperrten Rechtsunkundigen immer die gleichen Pflichtanwälte zugenordnet werden? Oder wenn einem schuldlos Inhaftierten von solchen Anwälten als einziger Ausweg ein Schuldgeständnis empfohlen wird?
Beispiele dieser Mandatsverrate werden hier täglich offen diskutiert. Arbeiter wrden um ihre Arbeitsstelle gebracht. Geschäftsleute werden in den Ruin getrieben. Familien werden von ihren Vätern und Ernährern getrennt. — Willkür? Unfähigkeit der Rechtspflege-organe? Schicksal? W. B., JVA Duisburg
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