: Die Rückkehr zur Demut
■ Die deutsche Eishockeymannschaft verlor auch ihr zweites Olympia-Match: 0:2 gegen die USA
Meribel (taz) — Früher, als das deutsche Eishockey noch zu den minderbemittelten dieser Welt zählte, reisten die Spieler der Nationalmannschaft äußerst kleinlaut zu olympischen Turnieren. Wenn sie den puckgewandten und rauflustigen Gesellen aus Kanada, Schweden oder der UdSSR gegenübertreten mußten, verbarg nur ihre massive Arbeitskleidung, wie sehr sie vor Ehrfurcht zusammengeschrumpft waren.
Aus dieser demütigen Haltung erwuchs manch erstaunliches Resultat — und gelegentlich geschahen sogar Wunder, wie der Gewinn der Bronzemdaille 1976 in Innsbruck beispielsweise.
Diese Zeiten sind vorbei. Heutzutage reisen deutsche Eishockeycracks strotzend vor Selbstbewußtsein und Dünkelhaftigkeit nach Olympia, unbeeindruckt von solchen Debakeln wie der Weltmeisterschaft in Finnland im letzten Jahr, als kein einziges Match gewonnen werden konnte. „Von Platz eins bis sechs ist alles möglich“, ließ der neue Bundestrainer Ludek Bukac die Muskeln spielen; „Wir haben eine Supertruppe“, ließ Kapitän Gerd Truntschka Optimismus sprühen.
Die Vorstellung, nicht ins Viertelfinale zu kommen, lag außerhalb jedes Vorstellungsvermögens, doch genau dies ist nach dem ernüchternden 1:5 gegen Finnland zum Auftakt und dem 0:2 gegen die USA durchaus in den Bereich der Wahrscheinlichkeit gerückt. Setzt man für heute die obligatorische Niederlage gegen Weltmeister Schweden voraus, kann es in den verbleibenden Matches gegen Italien und Polen recht eng werden, wenn es um den vierten Platz der GruppeA geht.
„Einsatz bis zum letzten, totale Disziplin und kontrolliertes Defensivspiel“, hatte Bukac als hervorstechende Tugenden des deutschen Eishockey ausgemacht, und daraus ergab sich auch die Maxime für die Partie gegen die USA. Aus sicherer Abwehr sollte die als labil betrachtete Verteidigung des Gegners mit schnellen Kontern überrascht und verwirrt werden. Eine simple Taktik, die im ersten Drittel erstaunlich gut klappte. Kluge, blitzartige Kombinationen brachten diverse Torchancen, die jedoch alle vom überragenden US-Keeper Ray Leblanc zunichte gemacht wurden.
Mangelnde Chancenauswertung war dem deutschen Team schon oft zum Verhängnis geworden, so auch diesmal in der schmucken 22-Millionen-Mark- Halle von Meribel. Im zweiten Drittel ließen die USA erkennen, daß sie schon seit September zusammen spielen und sich gewohnt gründlich auf das olympische Turnier vorbereitet haben. Moe Mantha, der fünf NHL-Jahre auf dem Buckel hat und zuletzt beim Stanley-Cup-Sieger Pittsburgh Penguins spielte, leitete gefährliche Angriffe ein, und als dann auch noch Verteidiger Michael Heidt auf die Strafbank mußte, erzielte Marty McInnis nach klugem Paß von Mantha das 1:0, ein Tor, welches die deutsche Mannschaft nachhaltig durcheinanderbrachte.
Das Bukac-Team fing sich erst wieder im Schlußdrittel und berannte voller Eifer, wenn auch meist planlos, das US-Tor. Doch wo der Puck auch hinflog, Leblancs Schläger, Fanghand oder Beinschützer waren schon da. Wiederum eine Strafzeit brachte die endgültige Entscheidung. Axel Kammerer bekam zwei Minuten wegen Hakens, Mantha ließ den Puck zu Ted Donato flutschen, und der erzielte acht Minuten vor Schluß zur Freude der US-Übermacht im Publikum das 2:0.
Die Träume der hochmütigen Bundesliga-Cracks, möglicherweise vom Verfall des einst übermächtigen Sowjet-Teams profitieren und gar den Olympiasieg ergattern zu können, sind erstmal wieder der alten Demut gewichen. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für die Partie gegen Angstgegner Schweden. Matti Lieske
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