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KOMMENTARPeinlicher Rückzieher

■ Bonn gönnt Berlin keine Menschenrechtskonferenz

Der überraschende Rückzieher von Bundesaußenminister Genscher gegenüber der UNO wird nicht nur internationales Kopfschütteln hervorrufen. Daß eines der reichsten Länder der Welt die geschätzten 100 Millionen Mark nicht aufbringen kann, um eine internationale Konferenz dieser Größenordnung zu organisieren, ist nur ein fadenscheiniger Vorwand. Mit Menschenrechten, so steht zu vermuten, lassen sich nicht so viele Lorbeeren verdienen. Doch jenseits des außenpolitischen Skandals ist die Absage der Bundesregierung eine erneute Folge im peinlichen Fortsetzungsroman um die deutsche Hauptstadt. Was noch vor zwei Monaten als internationaler Erfolg gefeiert wurde, gerät nun wieder zur Provinzposse im Lieblingsstreit deutscher Politiker. Berlin, so der Außenminister, sei durch die Probleme der Vereinigung nicht der geeignete Ort — noch vor wenigen Monaten war er gegenteiliger Ansicht. Daß sich der geplante Umzug von Bonn nach Berlin verschieben würde, wie Genscher behauptet, ist ein neuer Höhepunkt im Hauptstadtstreit. Die Berliner Politik muß das als Affront verstehen — unabhängig davon, wie ungeschickt sie im Einzelfall in der Hauptstadtfrage agiert. Hinter der Absage der Bundesregierung wird zum wiederholten Mal der Herzenswunsch der Rheinländer deutlich: Eine aseptische »fußläufige« Hauptstadt, am besten völlig abgeschottet von den unberechenbaren Hauptstadtbewohnern sowie den unübersichtlichen sozialen und politischen Folgen der Vereinigung. Die, so glaubt man offenbar in Bonn immer noch, können internationalen Delegationen nicht zugemutet werden. Und solange die Berliner nicht garantieren können, daß eine solche Mammutveranstaltung völlig reibungslos verläuft, müssen sie weiter dafür bestraft werden, daß die Stadt immer noch nicht ganz zu Posemuckel à la Bonn verkommen ist. Kordula Doerfler

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