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Schafft ein, zwei, drei, viele Kongresse

■ Der befreiende Charakter des Diskurses bei der "Psychoanalyse deutscher Wenden"

Schafft ein, zwei, drei, viele Kongresse Der befreiende Charakter des Diskurses bei der „Psychoanalyse deutscher Wenden“

Das Auditorium Maximum der Freien Universität Berlin war vier Tage lang so etwas wie „befreites Territorium“. Unter dem Schutz der in der politischen Sphäre so oft benasrümpften Psychoanalyse und Sozialpsychologie konnten die Individuen endlich einmal befreit von zwanghaftem Politritual über ihre eigene Geschichte reden, über Scham- und Schuldgefühle, über Demütigung, Wut und Trauer. Die Ostler, die derzeit die gesamte Last deutscher Historie aufgebürdet bekommen, kamen aus der Rolle der Beschämten und Geprügelten heraus. Und die westlichen Linken durften die narzißtische Kränkung thematisieren, nicht nur von allen utopistischen Geistern verlassen zu sein, sondern auch noch mit Kohl & Konsorten den „späten Sieg der Väter“ ertragen zu müssen.

Gleichzeitig bot das von zwanghaftem Gerede befreite Gebiet aber auch eine Chance, mit den Subjekten und durch die Subjekte hindurch neue theoretische Kategorien zu finden für das „Projekt einer Sozioanalyse“ (Wolfgang Fritz Haug), mit der die unbewußte Geschichte einer Gesellschaft und die Verkettung zwischen Tätern und Opfern bearbeitet werden könnte. Aber wie soll man hier, so anders als auf der Couch des einzelnen Psychiaters, mit dem Wiederholungszwang des „generativen Gedächtnisses, das im Schweigen sich einprägt“ (Brigitte Rauschenbach) umgehen? Darf man ihn für die gesellschaftliche Heilung zulassen oder gar fördern oder muß man ihn fürchten und abwehren?

Friedrich Schorlemmer, Wolfgang Thierse und andere, die ein „Tribunal“ zur Bearbeitung der DDR-Vergangenheit planen, mag man ja nicht in den Arm fallen. Aber im „vereinten“ Deutschland, das keinen herrschaftsfreien Diskurs zuläßt, trägt solch ein Vorgehen neue Gefahren in sich: Auf dem gemeinsamen Misthaufen deutscher Geschichte können die westliche Gockel erneut ihr Kikeriki herausschreien, während sich der östliche Hühnerhaufen weiter duckt und aufeinander einhackt. Diese Gefahr ist nur zu vermeiden, wenn man wie in Berlin die ganzen Verkettungen der Geschichte miteinbezieht. Insofern war der dort so produktive Diskurs ein Zukunftsmodell, das nach Nachahmung schreit: Schafft ein, zwei, drei, viele befreite Gebiete! Ute Scheub

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