: Uranaltlasten vergiften Atomklima
Frankreichs staatliche Atomindustrie unter Druck/ Atommüllkippen verschwiegen/ Mit dem offenen Atommüllaster Straßen und Wegeränder verseucht/ Abraum aus dem Uranbergbau in Zementwerke ■ Aus Freiburg Peter Diehl
Cogema, der staatliche französische Atomgigant, findet sich in letzter Zeit häufiger in den Schlagzeilen, als den Atommanagern lieb sein kann. Dabei bereitet nicht die umstrittenen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague den Atomwirtschaftlern das meiste Kopfzerbrechen, sondern die Altlast unverantwortlichen Uranabbaus in den vergangenen 40 Jahren. Viele der alte Deponien mit radioaktiven Abfallschlämmen sind illegal. 200.000 Atommüllfässer in einem stillgelegten Uranbergwerken hatte die Firma der Bevölkerung jahrzehntelang verschwiegen.
Nach dem Ende des Uranabbaus der Wismut in Thüringen und Sachsen ist Frankreich der größte Uranproduzent Europas (ohne ehemalige UdSSR). Die Franzosen produzieren etwa die Hälfte des Uranbedarfs für ihre Atomkraftwerke selber, dazu kommt der Bedarf für seine Atomwaffen. Die Produktion erreichte ihren Höchststand im Jahre 1988 mit 3.394 Tonnen Uran, seitdem ist sie leicht rückläufig. In den vergangenen Jahren hat der niedrige Uranpreis auf dem Weltmarkt aber zur Schließung unrentabler Bergwerke geführt.
Das größte Abbaugebiet am Nordwestrand des Zentralmassivs nördlich von Limoges soll bis 1996 ganz stillgelegt werden.
Bis zum vergangenen Jahr hatte die COGEMA kaum Ärger beim Uranabbau. Neue Minen mit neuer Aufregung gab es kaum, und an den alten Standorten hatten sich die Menschen abgefunden. Seit dem hat sich dies jedoch schlagartig geändert. Es begann damit, daß die unabhängige Kommission zur Forschung und Information über Strahlengefahren CRII-Rad im Frühjahr 1991 von COGEMA eher beiläufig erfuhr, daß mehrere Deponien bei Limoges mit Abfallschlämmen aus der Aufbereitung des Uranerzes mehr als 1.000 Curie (=37.000.000.000.000 Bequerel) Radium-226 enthalten. Die Konsequenz: Die Deponien sind auch nach den Buchstaben des Gesetzes Atomanlagen, für die ein strengeres Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung gilt.
Im Juli erschien dann der Bericht einer Regierungskommission zur Situation radioaktiver Abfälle in Frankreich. Das Ergebnis der Kommission war eindeutig: Weitere Deponien in anderen Teilen des Landes werden derzeit illegal betrieben. Im November 1991 sah sich COGEMA genötigt, einen Bericht über das radioaktive Inventar an all ihren Atommüll-Standorten herauszugeben. Am Standort Brugeaud in Bessines bei Limoges lagerten 18.048 Fässer mit schwachaktivem Atommüll aus der Anreicherungsanlage Pierrelatte im Rhônetal. Und in der Grube des stillgelegten Tagebau-Uranbergwerks Margnac bei Limoges hatten die unkontrollierten staatlichen Uranbergwerker 176.150 angeblich leere, aber radioaktiv verseuchteFässer eingelagert. Als das ruchbar wurde, deckte COGEMA die Fässer bei Nacht und Nebel mit Erde zu.
Auch bei den Transporten der COGEMA herrschen chaotische Zustände. So hatte der Atommonopolist Abfallschlämme auf normalen, offenen Lastern von der Aufbereitungsanlage Bessines zur drei Kilometer entfernten Deponie transportiert. Ergebnis: Die Straße und angrenzenden Grundstücke sind erheblich radioaktiv verseucht.
Um das Ungemach für die COGEMA vollzumachen, gerät nun auch die Deponierung der aus der Uranerzaufbereitung stammenden radioaktiven Schlämme selbst in die Schußlinie der Umweltschützer. Bei einer Besichtigung mit Vertretern von CRII-Rad am 18.1.92 zeigte sich, daß die Schlämme offensichtlich ohne besondere Vorkehrungen in die Gruben ehemaliger Tagebau- Bergwerke gekippt werden. Dort gefährden sie für ewige Zeiten das Grundwasser. Die Schlämme der Anlage Bessines zum Beispiel werden zur Zeit in das Tagebau-Bergwerk Bellezane gebracht. Die Uranerz-Aufbereitungsanlage produziertevon 1958 bis 1990 insgesamt 25.046 Tonnen Uran. Auch andere alte Tagebau-Gruben wurden bereits mit den Bessines-Schlämmen verfüllt. Ein Teil der Schlämme war zuvor in mit Erddämmen eingegrenzten Becken am Standort ehemaliger Tagebaugruben abgelagert worden. Dort ist der Schlamm mit Wasser abgedeckt, um die radioaktiven Radon- Gase festzuhalten. Das Grundwasser ist extrem gefährdet.
Schuld am Umweltdesaster ist auch das Verfahren: Ein Teil des Bessines-Urans (934 Tonnen) wurde dadurch gewonnen, daß die Erze auf Halden gekippt und das Uran daraus im Haufenlaugungsverfahren herausgelöst wurde. In Bessines und Umgebung blieben bis Ende 1990 insgesamt 19,86 Millionen Tonnen an radioaktiven Abfallschlämmen zurück.
Die Kreativität der COGEMA bei der Verteilung ihres atomaren Erbes kennt keine Grenzen. Das beim Uranbergbau anfallende Abfallgestein wird in Zementwerke für den Straßenbau aufbereitet. Damit verteilt die COGEMA ihren niedrigstrahlenden Abraum großflächig über Frankreich.
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