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Radikaler Islamist mit pragmatischen Zügen

■ Die Karriere des ermordeten Hisbollah-Chefs Abbas Mussawi: Vom religiösen Lehrer zum schiitischen Führer im Südlibanon

Berlin (taz) - Scheikh Abbas Mussawi gehörte zur Generation jüngerer schiitischer Geistlicher, die in der ersten Hälfte der achziger Jahre im Libanon zunehmend eine politische Rolle spielten. Sein Lebensweg zeichnete nicht nur die Rolle radikaler Islamisten im letzten Jahrzehnt nach, sondern auch die Entwicklung der pro-iranischen, schiitischen Hisbollah-Bewegung, der er angehörte.

Mussawi wurde vor 38 Jahren in Nabishit in der libanesischen Bekaa-Ebene geboren. Wie sein geistiger Mentor, Sheihk Mohammend Hussein Fadlallah, und zahlreiche andere schiitische Würdenträger, studierte er unter anderem in Najaf im Südirak. Ehe er bei Hisbollah zu Rang und Würden aufstieg, war er Leiter der religiösen Schule in Baalbek, ebenfalls in der Bekaa gelegen.

Hier hatte die „Partei Gottes“ nach ihrer Gründung 1978 zunächst ihr Hauptquartier, ehe sie ab 1982, dem Jahr der israelischen Invasion, anfing, Zellen in Armenvierteln Beiruts und später im Südlibanon zu gründen.

Bei Hisbollah firmierte Mussawi zunächst als Verantwortlicher für militärische Angelegenheiten und innere Sicherheit — kein marginaler Posten also. In dieser Funktion soll er junge Anhänger ausgebildet haben, die unter anderem Selbstmordaktionen gegen die israelischen Truppen im Südlibanon unternahmen. Im September 1990 wurde der rundliche Geistliche, der den schwarzen Turban eines Nachkommens des Propheten Mohammed trug, in Teheran zum Generalsekretär der Bewegung gewählt. In dieser Position löste er Sheihk Subhi Tufaili ab, der im Spektrum der Islamisten als Hardliner galt.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger bezeichnete Mussawi die Geiselnahmen als einen Fehler, eine Äußerung, die vielleicht auch der veränderten politischen Konjunktur geschuldet war. Doch in die Zeit nach seiner Amtsübernahme fielen die Bemühungen um die Freilassung der westlichen Ausländer, für deren Verschleppung Hisbollah und ihr politisches Umfeld verantwortlich gemacht wurden. In seinen letzten Interviews erwog er, ähnlich wie Fadlallah, die Möglichkeit, daß Hisbollah sich eines Tages an Parlamentswahlen beteiligen könnte. Pate für diesen Sinneswandel stand der Erfolg der algerischen Islamischen Heilsfront Ende Dezember letzten Jahres.

In einem anderen Punkt hat Mussawi jedoch nie einen Abstrich gemacht: Der Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen Israel, das einen Teil des Südlibanon, einer Hochburg der Schiiten, besetzt hält. Vor diesem Hintergrund konnte er gegenüber den Regierungen in Beirut und Damaskus erreichen, daß seine Organisation nicht wie die anderen libanesischen Milizen entwaffnet wurde: Hisbollah sei eine „Befreiungsbewegung“, die erst dann aufgelöst werden könne, wenn Israel abgezogen sei. Damit erhielt Hisbollah freie Hand im Süden. Ein Schachzug, der von Teilen der Bevölkerung in der Region als schwere Niederlage der libanesischen Armee und der Zentralregierung bei ihren Bemühungen, die staatlichen Strukturen wieder zu stärken, aufgefaßt wurde.

Über die iranische Unterstützung von Hisbollah hat Mussawi, in dessen Büro ein Portrait des „pragmatischen“ Staatschefs Rafsandschani hängt, nie ein Hehl gemacht. Doch kürzlich, unter seiner Ägide, hat Hisbollah seine Beziehungen zu Syrien wieden verbessert. Zwar lehnt die Bewegung, wie auch ihre Sponsoren in Teheran, die Nahost-Friedensgespräche ab. Aber für das Regime in Damaskus ist Hisbollah mit ihren Angriffen auf Israel eine weitere Karte beim Poker am Verhandlungstisch. b.s.

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