: Lendenlodern
■ Die Bauchtanzgruppe »Oasis Danse Ensemble« tanzte in der Ufa-Fabrik
Den Geheimnissen der Erotik auf der Spur, lassen sich gewisse Gesetzmäßigkeiten ausmachen. Eine der goldenen Regeln besagt, daß Hindernisse auf dem Weg zum Ziel das Objekt der Begierde ungleich attraktiver erscheinen lassen. Dieser Regel wissen sich die Schönen aus dem Morgenland mit meisterhaftem Geschick zu bedienen. Unerreichbare, exotische Wesen wirbeln da ihre beweglichen Lenden über die Bühne. Wie ein kostbares Kleinod umhüllen sie ihre weiblichen Rundungen mit immer neuen Gewändern, die Jonglage zwischen Zeigen und Verbergen wird in allen Farben des Regenbogens ausgetragen. Um die unablässig kreisenden Hüften schmiegt sich enganliegender Satin, paillettenbesetzte Büstenhalter tanzen über dem rosigen Bauchnabel, und in der wilden Lockenpracht blitzen Gold und Geschmeide. Herausfordernde Blicke streuen sich siegesgewiß unter die Zuschauer, ein wahrer Funkenregen geht im Scheinwerferlicht von der Bühne hernieder, daß es jedem Kalifen trotz einschlägigster Haremserfahrung die Sprache verschlagen hätte.
In Erwartung sinnlicher Freuden dürfen die Zuschauer im prallgefüllten Kinosaal der Ufa-Fabrik schon vor Beginn der Show mit Nachbar und Nachbarin auf Tuchfühlung gehen, bis endlich das Magische Feuer des Orients, Titel der aktuellen Show von »Oasis«, sein Flammenspiel entfacht. Es lodert nicht nur in den Lenden türkischer Bauchtänzerinnen. In einem morgenländischen Rundumschlag betreten sämtliche Völker Arabiens die Bühne. »Sylke aus Ägypten« läßt das Tambourin ertönen, um sogleich mit den fast züchtig im weiten Rock gekleideten Schwestern eine Art Sirtaki zu tanzen. Eine Zigeunerin zelebriert magische Rituale mit einer schwebenden Kugel, und auch eine stramme Flamencotänzerin hat auf wundersame Weise ihren Weg in orientalische Breitengrade gefunden.
Schwerter können nicht nur töten, sondern auch verführen. Mit theatralischem Gestus zieht Doris die Klinge aus der Scheide, um das gefährliche Gerät sogleich wirkungsvoll über dem Kopf zu balancieren. Sie posiert mit der Waffe wie mit einer giftigen Schlange — Eros und Tod feiern ihre enge Verwandtschaft.
Mit sieben Schleiern gewappnet, schwebt Fidi auf die Bühne. Genüßlich die Hüften schwingend, entblättert sie sich ohne jede Hast, auf dem Boden bauscht sich Zartseidenes, bis aufsteigende Nebelschwaden die Halbentblößte entführen. Mit flammenden Keulen entfacht Doris — deren Name natürlich »arabisch« ausgesprochen wird, mit der Betonung auf der letzten Silbe — das magische Feuer des Orients ein zweites Mal. Bei einer Tanznummer mit Stock, die für gewöhnlich ägyptischen Männern vorbehalten ist, beweisen drei Damen artistisches Geschick. In atemberaubendem Tempo wird der Stock zum zuckenden Bauchnabel in der Hand gewirbelt.
Kein Zweifel: wenn diese Frauen die Luft im Saal zum Knistern bringen, tun sie das voller Genuß und Selbstbewußtsein. Eine Portion Narzismus mischt sich mit einer ungeheuren Freude an der Bewegung zu einem Hohelied an die Weiblichkeit. Obwohl sie sich der ältesten Waffe der Frauen bedienen, ihrer Körper und ihrer Schönheit, liegt der Geruch von Sexualobjekt in weiter Ferne. Der ästhetische Rausch wirkt im übrigen auf weibliche Zuschauer gleichermaßen anregend wie auf deren männliche Begleiter.
Leider bringt ein mäßig witziger Conferencier mit urdeutschem Humor den exotischen Zauber des Programms in Bedrängnis. Ohne ihm sein Talent absprechen zu wollen, das orientalische Ambiente liegt ihm nicht, seine Überleitungen sind Stopersteine im Programmfluß.
Woher die glutäugigen Schönen mit der dunklen Lockenpracht stammen, bleibt ein gutgehütetes Geheimnis des Ensembles. Verraten sei hier nur soviel: Sie sind deutscher, als man glaubt. Jantje Hannover
»Oasis Danse Ensemble« bis zum 22.2. täglich um 20.30 Uhr im Varieté Chamäleon, Rosenthaler Straße 40-41, in Mitte.
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