: Ist „La Cinq“ noch zu retten?
Französische Privatsender ziehen gegen Berlusconi-Plan zu Felde ■ Aus Paris Bettina Kaps
Stirbt er oder stirbt er nicht? Dem todkranken französischen Fernsehsender „La Cinq“ wird bisher wenig Hilfe angeboten. Sieben Wochen ist es her, daß der private Programmbetreiber, der Multimediakonzern Hachette, Konkurs angemeldet hat, und noch immer ist die Zukunft des fünften Kanals völlig ungewiß. Das freut die Konkurrenz, denn die hofft auf sein Ableben. Fünf allgemeine Programme können in Frankreich nicht existieren, betonen die Chefs der Privatsender „TF1“ und „Canal Plus“. Gemeinsam ziehen sie gegen den Mann zu Felde, der den Retter spielen möchte: Silvio Berlusconi ist der einzige Kandidat für die Weiterführung des Senders.
Bei der Gründung von „La Cinq“ vor sechs Jahren hatte Präsident Mitterrand den italienischen Medienmagnaten gebeten, das Programm zu bestreiten; der damals zweite Privatsender war ein Wahlgeschenk für die Franzosen, konnte den Sieg jedoch nicht retten. Die Bürgerlichen stellten die neue Regierung und vergaben die Sendelizenz neu an den Herausgeber der konservativen Tageszeitung 'Figaro‘, Robert Hersant, dem das neue Hobby bald zu teuer wurde. 1990 übernahm Hachette das fünfte Programm und erhöhte das Defizit auf insgesamt 3,6 Milliarden Francs (1,1 Milliarden Mark). Berlusconi, Chef des Multimediakonzerns „Fininvest“, ist nach wie vor mit 25Prozent an „La Cinq“ beteiligt (mehr erlauben die französischen Gesetze den einzelnen Aktionären des Privatfernsehens nicht). Jetzt hat er dem Rechtsverwalter den einzigen Plan zur Übernahme von „La Cinq“ vorgelegt; Berlusconi schlägt eine Kapitalerhöhung von 1,5 Milliarden Francs vor. Falls die bisherigen Aktionäre nicht mitziehen, muß er neue Partner finden. Bisher scheint es jedoch, als ob Hachette und mehrere Banken lieber aussteigen als zulegen wollten. Wer könnte sich an der Investition beteiligen? Berlusconi spricht vage von europäischer Partizipation, verrät aber nicht, wer sich dahinter verbergen könnte. Bertelsmann oder Kirch haben schon abgewinkt.
Ein weiterer Stolperstein im Berlusconi-Plan sind die enormen Schulden, die das Handelsgericht bereinigt sehen möchte. Seit Oktober hat der Sender nicht mehr gezahlt — weder die bereits gesendeten Programme noch die in Auftrag gegebenen. Rund 50 Produktionsfirmen haben Verträge mit dem Sender, der sich vor der Aufsichtsbehörde CSA verpflichtet hatte, die einheimische Filmindustrie zu unterstützen; ihr Überleben ist an die Zukunft von „La Cinq“ gekoppelt.
Berlusconi will die Gläubiger vor eine düstere Alternative stellen: Entweder sie begnügen sich mit einem Viertel ihrer Darlehen, rückzahlbar innerhalb von drei Jahren, oder aber sie erhalten die gesamte Summe, dann aber erst nach 25 Jahren und ohne Zinsen. Während Hachette und Fininvest dem Sender die Schulden erlassen haben (je 400 Millionen Francs), wollen die beteiligten Banken (eine Milliarde Francs) ihre Kredite offenbar nicht für „La Cinq“ opfern. Am besten stellt sich der Berlusconi-Vorschlag noch für die Angestellten dar: Er will 613 der 910 Beschäftigten behalten; kein Wunder, daß sie „mit ganzem Herzen“ — so Pressesprecher Herpin — auf das Gelingen der Operation hoffen.
Unterdessen fahren Berlusconis Konkurrenten schwere Geschütze auf. Der Chef des größten Privatsenders „TF1“, Patrick Le Lay, bezeichnete den Übernahme-Plan im Rundfunk als „amoralische Operation“, die nur auf persönliche Profite aus sei. Ähnliche Vorwürfe erhob auch der Chef des Pay-TV-Senders „Canal Plus“, André Rousselet. Mit dem Verkauf von 14.500 Programmstunden für zwei Milliarden Francs habe Berlusconi als einziger Geld mit „La Cinq“ verdient, sagte Rousselet. Jetzt habe der Magnat den Privatsendern zudem einen dubiosen Tauschhandel vorgeschlagen: Für einen Schadenersatz in Höhe von 1,6 Milliarden Francs wolle sich Berlusconi für fünf Jahre aus Frankreich zurückzuziehen. Berlusconi drehte den Spieß um. Die französischen Fernsehsender hätten ihm sechshundert Millionen Francs angeboten, damit er auf „La Cinq“ verzichte, zitiert ihn die Tageszeitung 'Libération‘.
Sobald Berlusconi Partner für sein Projekt gefunden hat, werden zwei Instanzen über den Plan entscheiden: Das Handelsgericht muß die wirtschaftliche Tragfähigkeit beurteilen, die Aufsichtsbehörde CSA begutachtet, ob der Plan den strengen rechtlichen Auflagen entspricht. Zahlreiche Fachleute sind seit langem überzeugt, daß das staatlich geschneiderte Korsett (begrenzte Werbezeiten, aber Verpflichtung zu einigermaßen anspruchsvollen und einheimischen Programmen) für fünf allgemeine Kanäle zu eng ist.
Sollte der Übernahmeplan scheitern, dann müßte zum ersten Mal in Europa ein privater Fernsehkanal das Licht ausschalten; die 910 Angestellten stünden auf der Straße. Zugleich könnten jedoch neue Ideen zum Zuge kommen. Die drei übrigen privaten TV-Anstalten („TF1“, „Canal Plus“ und „M6“) haben vorgeschlagen, gemeinsam auf der dann frei werdenden Frequenz einen reinen Informationssender zu starten, also eine Art französisches CNN. Die Regierung erwägt, ihr Vorgriffsrecht geltend zu machen und im fünften Programm den deutsch-französischen Kulturkanal auszustrahlen. Sollte „La Cinq“ auch sterben, auf Kanal5 wird es weiter flimmern.
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