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Die Lust am Sterben

■ Jan Lauwers inszeniert Shakespeares „Antonius und Kleopatra“

Krieg führen Caeser und Antonius aus Liebe. Der Bote der beiden heißt Eros. Er spricht zu Kleopatra — Antonius' Liebe, rothaariges Biest. Spricht zu Octavia — Caesars liebe Schwester und Antonius' Braut — sie lächelt, und immer bös. Die Römer sitzen fern in Ägypten. Caesar grinst. Antonius hält sich den Kopf. Sie schauen sich um. Kleopatra wirkt unbeteiligt. Der Bote macht verkniffene Augen. Der Krieg wird ausgesessen.

Die Augen sind das Wichtigste. Mit verschränkten Armen schieben sich die Ursurpatoren Stichworte zu. Shakespeares Trauerspiel — gutes, altes Sprechtheater — ist eine Talkshow. Sie verhaspeln sich. Sie korrigieren sich. Jedes Wort beginnt mit Anführungszeichen. Ihr ausschließlich rhetorisches Waffenarsenal strotzt und stottert.

Jan Lauwers Antonius und Kleopatra ist wie die Inhaltsangabe aus Reclams Schauspielführer. Fifty Prozent Nacherzählung, fifty Prozent Zitat. Stets weiß der Zuschsuer, wo er sich befindet: Akt zwei, Szene drei. Der Zuschauer erfährt, daß man im Palast der Kleopatra betrunken ist. Die Akteure, auf elf Stühlen nebeneinander aufgereiht, starren ins Auditorium und nippen an ihrem Text wie Cognac. Sie zitieren das Drama, statt es zu rezitieren. Die raspeln den Text, statt ihn aufzusagen. Caesar stockt: „Wie heißt der andere nochmal?“ Ihm wird souffliert, das Wort dem Herrn wie ein Glas Wein gereicht. Kunstvolle Aussetzer. Shakespeare spielt kaum eine Rolle. Er hat nur eine gute Story abgegeben.

In der Mitte des Stücks steht bei Shakespeare eine Seeschlacht. Der Filmprojektor zeigt Meeresbrandung. Die Schlacht ist hinter dem Horizont. Die Brandung beruhigt die Gemüter. Die Schauspieler haben Pause, das Publikum nicht. Immer schneller schiebt sich das Stück mit einer Bugwelle vor dem Spiel her. Das ersehnte Ziel ist das Gesterbe am Schluß. Lauwers Lust am Sterben ist diebisch. Caesar stellt sich gegen Antonius. Der Mann ist am Ende.

Hinter der Stuhlreihe auf der Vorderbühne beginnt das Schattenreich. Dort hinten ist das Aus. Was da hinten steht, lebt nicht mehr. Antonius stirbt, indem er sich hinter den Stuhl stellt. Kommt wieder hervor: „Bin nicht tot.“ Hat noch Text. Stirbt wieder, geht hinter die Stühle. Caesar: „Antonius, kommst du noch mal, ...bitte.“ Das Spiel cooler Kinder ginge, gäb's mehr Text, bis zum Sanktnimmerleinstag.

Bei den Damen ist das anders. Sie haben Geheimnisse. Eines ist die Pyramide. Der flämische Zeichner (und Regisseur, durchaus) Jan Lauwers hat während der Probe einiges skizziert (für das Programmbuch). Da steht in krakeligen Lettern: Kleopatras Geheimnis ist eine „up side down pyramide“. Nun ja. Erotoman gedacht... Und Agrippa heult und seufzt im fremden Land: „Diese ptolomäischen Pyramiden sind die allertollsten Dinger.“ Da gibts Lacher. Die Damen legen sich zum Sterben Schmuck an und küssen sich — statt sich von einer Natter beißen zu lassen (wie Kleopatra im Original). Sie sagt: „Eine Natter auf der Lippe.“ Auf Lauwers Theater wird vokal gestorben. Und Caesar siegt. Ohrenbetäubender Hardrock, Tanz (Aus. Dunkel) ... Lauwers besiegt Shakespeare. Der Tod ist ein Kinderspiel, und Shakespeare eine Spielanleitung dazu. Die Kindsköpfe hatten ihren Spaß daran. Arnd Wesemann

Antonius und Kleopatra. Nach William Shakespeare. Regie: Jan Lauwers. Mit Grace Ellen Barkey, Petra Barthel, Petra Bolte, Michael Greiling, Kai Maertens, Jens Reichardt, Mil Seghers, Andreas Seifert und Ritsaert ten Cate. Theater am Turm, Frankfurt. Weitere Vorstellungen: 19. bis 22.2., 28., 29.2., 11. bis 15.3., 17. bis 21.3.

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