Der „Mann der Sicherheit“ an der Spitze

Rabin neuer Vorsitzender der israelischen Arbeiterpartei/ Gute Chancen für Amt des Premiers im Juni  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Sollte die Arbeiterpartei bei den Parlamentswahlen am 23. Juni die Mehrheit erzielen, wird Ex-Verteidigungsminister Jizchak Rabin neuer israelischer Ministerpräsident. Er wird dann voraussichtlich gegen den jetzigen Premier Jizchak Schamir antreten, der dem rechten Likud- Block zugehört.

41 Prozent der Parteimitglieder stimmten am Mittwoch für Rabin als Vorsitzenden. Sein Hauptkonkurrent, der bisherige Parteichef Schimon Peres, erhielt nur 34,5 Prozent der Stimmen.

Erstmals fanden damit auch in Israel „Primary-Wahlen“ nach US- Vorbild statt, bei denen alle Parteimitglieder ihren Vorsitzenden wählen können. Zwei Drittel der 150.000 Mitglieder gaben ihre Stimmen ab. Besonders unter der arabischen und drusischen Bevölkerung, die innerhalb Israels lebt, war die Wahlbeteiligung hoch. Mit circa 13.000 Stimmen bilden sie aber nur eine Minderheit in der Partei.

Bei ihrem Wahlkampf, der die Kandidaten quer durch das Land führte, hatten die geringen ideologischen Differenzen kaum eine Rolle gespielt. Ausschlaggebend schien vielmehr ihr persönlicher Eindruck. Beide sind keine neuen Gesichter in der israelischen Politik. Ein jüngerer Kandidat, so hieß es allgemein, hätte der Arbeiterpartei für die Wahlen im Juni besser angestanden. Denn ein neuer leuchtender Star an der Spitze der Partei hätte die Wählerschaft den zermürbenden Streit der Parteiführung vielleicht vergessen lassen. Das einzige Problem der Arbeiterpartei: Dieser Star existiert nicht. So konnten die WählerInnen nur auf die zweitbeste Lösung zurückgreifen — Erneuerung durch „vertauschte Köpfe“. Peres hatte immerhin 15 Jahre die führende Stellung in der Partei inne. Viermal war er bereits Vorsitzender der Partei und Spitzenkandidat für das Amt des Premiers gewesen.

Rabin wird dem rechten Flügel der Arbeiterpartei zugerechnet. Ihm werden bessere Chancen zugeschrieben, Wähler aus dem rechten Likud- Block für sich zu gewinnen. Tatsächlich sahen in einer jüngsten Umfrage 25 Prozent der WählerInnen Rabin als den geeigneten Regierungschef, auf Schamir entfielen nur 20 Prozent.

Rabin gilt in Israel allgemein als ein Mann der „Sicherheit“. Dieses Image hat er vor allem seinem Ruf als erfolgreicher Generalstabschef im Sechstagekrieg 1967 zu verdanken. 1974 wurde er nach einer innenpolitischen Krise, die dem Jom-Kippur- Krieg folgte, zum Ministerpräsidenten gewählt. Im Rahmen einer „Nationalen Einheitsregierung“, einer großen Koalition, an deren Spitze der Likud stand, erlangte der heute fast 70jährige zehn Jahre später das Amt des Verteidigungsministers. Dabei ging er in den ersten Phasen des palästinensischen Aufstands besonders hart gegen die Bevölkerung in den von Israel besetzten Gebieten vor. Die dort lebenden PalästinenserInnen haben keinerlei Einfluß auf die Wahl irgendeines Parteivorsitzenden oder eines Ministerpräsidenten.

Gestern, am Tag nach der Wahl des Arbeiterpartei-Chefs, stimmte auch der Likud-Block mit dem gleichen Wahlsystem über seinen Vorsitzenden ab. Die Wahl des jetzigen Ministerpräsidenten Schamir galt als sicher. Spannender gestaltete sich allerdings der Kampf um die zweite Stelle auf der Liste. In Frage kam der Rechtsaußen und Hardliner Ariel Scharon oder der vor allem in außenpolitischen Fragen flexiblere David Levy. Derjenige, der das Rennen macht, gilt als möglicher Nachfolger Schamirs. Eine Wahl Scharons hätte mit Sicherheit langfristig eine noch stärkere Verhärtung der israelischen Politik in Fragen des Friedensprozesses in Nahost zur Folge.

Mit Rabin an der Spitze der Arbeiterpartei und Schamir als Vorsitzendem des Likud wachsen die Chancen einer großen Koalition nach den Wahlen im Juni. Schamir fühlt sich Rabin, der dem rechten Flügel seiner Partei angehört, näher als dem bisherigen Arbeiterpartei-Chef Peres.