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Tauziehen um Honeckers Schicksal

■ Rußland stimmt Einlieferung des Ex-Staatschefs in ein Moskauer Krankenhaus offenbar zu/ Chiles Regierung will Honecker notfalls auch ohne deutschen Paß einreisen lassen

Bonn/Santiago/Moskau (afp/ap) — Die russische Regierung ist offenbar bereit, Erich Honecker zur Behandlung in ein Moskauer Krankenhaus zu bringen, nicht aber, ihn nach Chile ausreisen zu lassen. Die Bundesregierung will die Ausreise Honeckers in „ein Drittland auf keinen Fall“ akzeptieren, will die Beziehung zur Regierung in Santiago aber nicht von diesem Thema abhängig machen.

Die russische Nachrichtenagentur 'Tass‘ meldete am Donnerstag, der chilenische Botschafter Clodomiro Almeyda und der stellvertretende russische Außenminister Boris Kolokolov stimmten überein, daß die nötigen Schritte unternommen werden sollten, um Honecker die „adäquate medizinische Versorgung“ zu verschaffen. Der Anwalt des 79jährigen, Friedrich Wolf, erklärte, der Zustand seines Mandanten sei „nicht so dramatisch, daß er morgen sterben würde“.

Bonner Regierungssprecher Dieter Vogel bestätigte, die russische Seite sei bereit, Honecker in ein Krankenhaus gehen zu lassen. Damit sei die Bundesregierung einverstanden. Sie sei jedoch auf keinen Fall bereit, die Ausreise des 79jährigen in ein Drittland zu akzeptieren, sondern bestehe auf seine Rückführung nach Deutschland. Der chilenische Botschafter in Bonn, Carlos Huneeus, hatte am Mittwoch abend in Bonn die Bereitschaft seines Landes erklärt, den Krebskranken aufzunehmen. Sein Kollege in Moskau sei angewiesen worden, mit der russischen Regierung entsprechende Gespräche zu führen. Chile will Honecker aus „humanitären Gründen“ die Einreise auch ohne deutschen Paß gestatten, ihm jedoch kein politisches Asyl gewähren. Das chilenische Außenministerium bewahrte zunächst Stillschweigen. Vize-Außenminister Edmundo Vargas bestätigte lediglich, daß Almeyra mit Vertretern der russischen Regierung Gespräche über Honeckers Einlieferung in ein Moskauer Krankenhaus geführt hat.

In einem Interview des Berliner Senders Rias bekundete Vogel Verständnis für die Situation der chilenischen Seite, die unter innenpolitischem Druck stehe. Die DDR hatte nach dem Militärputsch 1973 in Chile viele Anhänger des ermordeten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende aufgenommen. Vogel betonte, die Bundesregierung wolle die deutsch-chilenischen Beziehungen nicht vom Tauziehen um Honeckers Schicksal abhängig machen.

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