piwik no script img

Der Tod, der aus der Erde kommt

■ „Bombensicher“ — in der Stadtgalerie Saarbrücken

Der Schatten eines Flugzeugs über einer vulkanisch anmutenden Landschaft. Wolkenbilder. Goldglänzende, steinerne Erde, darauf verrostete Fässer wie Gewächse einer anderen Welt. Sie enthalten radioaktiven Müll. Auf einem anderen Bild, idyllisch, eine Katze am Fenster: darunter steht zu lesen, daß das Haus ohne Warnung der Regierung aus radioaktivem Gestein gebaut wurde. Ein anderes Familienbild: Menschen vor einer sonnigen Landschaft, die Welt ist in Ordnung. Der Text sagt: Das Foto, das die Frau in der Hand hält, zeigt den Ehemann — gestorben an Radonvergiftung. Es sind romantisierende Bilder, Fotos wie die eines Bildbandes über ein faszinierendes Reiseland. Die begleitenden Texte decken auf, was nicht sichtbar ist.

Die Ausstellung führt von den träumerischen Bildern des Unwissens Schritt für Schritt in die „nukleare Wirklichkeit“: Ein Abflußrohr einer Uranwaschanlage gehört in diese Wirklichkeit, der Begleittext erklärt: „Bei der Uranwäsche entsteht eine hochstrahlende Lauge, die in Abkühlungsbecken geleitet wird. Nach dem Versickern werden die Becken mit Erde zugedeckt. Kühe weiden in dieser Landschaft...“

Die Fotografen der Atomic Photographers Guild haben es sich zur Aufgabe gemacht, sämtliche Aspekte des „Nuklearzeitalters“ festzuhalten: Landschaften, den Atomstaat und seine Menschen. Sie haben den ersten Atombombenversuch in der Wüste von New Mexiko fotografiert, der den Beginn des Atomzeitalters markiert. Oder wie Yoshito Matsushige Hiroshima nach der Atombombenexplosion; von seinen Aufnahmen sind nur wenige erhalten.

Stationen einer Ausstellung:

Die Bombenproduktion wird in „kunstvollen“ verharmlosenden Fotos dokumentiert, Architekturaufnahmen gleich, die die technisierte Welt der Forschungszentren zeigen. Daneben die Hand eines Menschen, die eine Glaskugel hält. Ihre Größe entspricht der des Plutoniumkerns in der Bombe, die über Nagasaki mit einer Sprengkraft von 22.000 Tonnen TNT explodierte... Wieder Wolkenbilder, Bombentests, fast malerische Explosionen, Krater, Atomlandschaften, in denen Felder von Elektrozäunen umschlossen sind. In ihnen sind Tiere zu Versuchszwecken eingepfercht.

Der Atomstaat — die saubere Welt der mächtigen Forschungslaboratorien, gigantische Röhren und Geräte, eine fast menschenlose Welt findet sich da auf den Fotos. Und dann die absurden Badevergnügungen in der Nähe des Mihama-Reaktors — Industrieromantik? Auf einem Foto einer Experimentieranlage zur Untersuchung von Raketensprengkörpern spiegeln sich die Silhouetten von drei Arbeitern.

Die Beschäftigten — Menschen, die ihre Arbeit verrichten, manchmal arglose Gesichter, strahlende Piloten, die an Atombombentests teilnahmen. Manchmal umgeben von ihrer Familie oder ihren Haustieren in privater Atmosphäre. Die Arbeiter sind eingepackt in Anzüge oder „waschen“ sich nach der Arbeit, bevor sie sich der Prüfung des Geigerzählers unterziehen — eine zweifelhafte Absicherung gegen die Gefahr. Eine Ausstellungsvitrine beherbergt ein Meßgerät.

Menschen sind Werkzeuge. Leiharbeiter nennt man diese „Elenden“ unserer Zeit, die arglos für Geld ihre Arbeit tun. Die Geschichte der „Zeitmaschine“ wird in abgewandelter Form ahnbare Realität.

Die Bilanz: Opfer. Spuren der mörderischen Plutoniumpartikel in der Lunge eines Affen. Schattensilhouetten der in den Trümmern nach der Atomexplosion begrabenen Menschen. Soldaten, die an Atomversuchen teilzunehmen gezwungen waren, kranke Menschen, mit Behinderungen geborene Kinder, ein doppelköpfiges Kalb...

Und der Widerstand: Menschen setzen Zeichen, sie richten einen Hügel aus Steinen oder gehen durch Feuer hindurch, eine alte kasachische Tradition. An anderen Orten demonstrieren sie. Nur manchmal führen Abstimmungen zu einer Änderung, häufiger sind es sinnlose Prozesse, Verhaftungen, Gewalt gegen warnende Demonstranten, starke Polizeimannschaften, Vertreter des Gesetzes.... Welcher Gesetze?

Farbbilder und Schwarzweißaufnahmen wechseln sich in der Ausstellung ab. Die geschönte Illusion idyllischer Landschaften in Farbe steht neben Schwarzweißbildern, die stationsweise die absurde Realität dokumentieren, den Mord an der Erde, das Elend der Menschen. Monika Bugs

Die Ausstellung Bombensicher ist ein Projekt der World Uranium Hearing e.V. Sie ist noch bis zum 1.März zu sehen. Stadtgalerie Saarbrücken, St. Johanner Markt 24, 66 Saarbrücken. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen