Olympia als TV-Werbefläche

Mißachtet die ARD die Bestimmungen des Medienstaatsvertrages?  ■ Von Philippe Ressing

Im Rundfunkrat des SFB wurde in der letzten Woche heftige Kritik an der Praxis des TV-Sponsoring in der ARD-Berichterstattung über die Winterolympiade laut. Jürgen Grimming, Vertreter des Deutschen Journalisten-Verbandes, sieht in der Präsentation des Sponsors Kaufhof zu Beginn und am Schluß der Sendung einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Medienstaatsvertrages: „Dies sind eindeutige Werbespots, die jeden Abend geändert werden, und so wird das Werbeverbot nach 20Uhr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterlaufen.“

Der Paragraph sieben des Medienstaatsvertrages erlaubt Unternehmen das Sponsoring von Programmen öffentlich-rechtlicher wie auch kommerzieller Rundfunkveranstalter „zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild (...), Tätigkeit oder (...) Leistungen zu fördern.“ Dabei darf nur zu Beginn und zum Ende einer Sendung „auf die Finanzierung durch den Sponsor in vertretbarer Kürze deutlich hingewiesen werden“. Anstelle des Firmennamens kann auch das Emblem des Unternehmens eingeblendet werden.

Sieht man sich die ARD-Praxis an, scheint Kritik angebracht. Im Programm wird nicht nur das Kaufhof-Emblem eingeblendet, sondern man sieht im TV-Spot einen begeisterten Fernsehzuschauer, der im Wintersportdreß gebannt auf den Bildschirm starrt. Eine Stimme nennt — zusätzlich zum Firmenlogo— den Namen des Sponsoren. Diese Praxis widerspricht nach Grimmings Einschätzung dem Ziel der Sponsoring-Bestimmung im Staatsvertrag. Der Paragraph sei eine „Schutzvorschrift für den Bürger vor unerlaubter Werbung“, und dies werde durch die ARD-Praxis unterlaufen. Die Begründung zum Staatsvertrag stützt die Kritik des DJV-Vertreters, heißt es dort doch über die Präsentation des Sponsors im Programm: „Um zusätzlich Werbeeffekte für den Sponsor zu vermeiden, ist der Hinweis nur in vertretbarer Kürze gestattet.“ Jetzt soll der SFB-Programmausschuß die Spots begutachten, danach wird sich der Rundfunkrat mit der Problematik beschäftigen.

Hinter dem Sponsoring des ARD- und ZDF-Olympiaprogramms stehen die explodierenden Preise für Übertragungsrechte bei großen Sportveranstaltungen und das Interesse der Wirtschaft an neuen Werbemöglichkeiten. Die europäische Rundfunk-Union (EBU), Dachorganisation der öffentlich-rechtlichen Sender, steht unter internationalem Konkurrenzdruck durch die finanzkräftigen kommerziellen Veranstalter. Die EBU mußte für die exklusiven europäischen Übertragungsrechte aus Albertville rund 28 Millionen Mark zahlen, die Sommerolympiade in Barcelona kostet bereits über 100 Millionen, und 1996 müssen für Atlanta rund 400 Millionen Mark hingelegt werden. Solche Kostensteigerungen von 300 Prozent können die Sender nur noch durch zusätzliche Werbeeinnahmen aufbringen. Vom Kaufhof und dem Mars- Hersteller bekamen ARD und ZDF jeweils eine Million Mark, um sich als Sponsor im Fernsehen präsentieren zu können; ohne diese Gelder sind kaum noch exklusive Senderechte zu bekommen.

TV-Sponsoring ist ein Ergebnis des dualen Rundfunksystems, da vor allem kommerzielle Anbieter ein Interesse an dieser preisgünstigen Finanzierungsform ihrer Programme haben. Deshalb wurde das Sponsoring der kommerziellen Sender bereits 1987 im Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens legalisiert. ARD und ZDF formulierten bereits 1986 und 1987 Richtlinien, die gesponserte Sendungen zuließen. Im Ersten war dabei die Nennung des Sponsors Pflicht, während das ZDF dies nur „soweit unvermeidbar“ vorschrieb.

Als die ARD aber im April 87 das Fußball-Länderspiel zwischen Italien und der BRD, gesponsert von Agfa, ausstrahlen wollte, kam es zu einem handfesten Krach. Sat.1-Chef Jürgen Doetz ging vor Gericht, da er nur die Kommerziellen dazu berechtigt sah, aber auch Intendant Kelm vom Hessischen Rundfunk und der SFB-Rundfunkrat mißbilligten die Einblendung des Firmenlogos zu Anfang und Ende des Spiels. Auf der Intendantentagung im Mai 87 erklärten die ARD-Bosse aber, daß auch weiterhin gesponserte Ereignisse übertragen würden, da man auf die Interessen der Zuschauer achten müsse, denen sonst das Ereignis vorenthalten würde. Im April 88 entschied das Frankfurter Landgericht gegen die ARD und untersagte ihr die Nennung von Sponsoren im Programmumfeld. Den Sponsorhinweis im Agfa-Fußballspiel bezeichnete das Landgericht dabei als „irreführende Werbung, weil er zumindest von einem nicht unerheblichen Teil der Fernsehzuschauer als objektive Information und nicht als subjektive Werbeaussage zu erkennen war“.

Das Interesse der werbenden Wirtschaft am Sponsoring erklärte unverblümt Dr. Horst Avenarius, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei BMW, auf einer Tagung des Arbeitskreises Werbefernsehen der deutschen Wirtschaft: „Sponsorship (...) ist reines Marketing-Denken. Es dient der Verkaufsförderung. (...) Das hat mit Mäzenatentum gar nichts zu tun.“ In Wirklichkeit gehe es der Konsumgüterindustrie um Selbstdarstellungsmöglichkeiten.

Die Beliebigkeit der Produkte und Unternehmen macht die Imagepflege wichtig, um so die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Hinzu kommt der Versuch, in der Öffentlichkeit positiv beurteilt zu werden, was zum Beispiel angesichts zunehmender Umweltprobleme vielen Unternehmen schwerfällt. Imagepflege ließen sich bundesdeutsche Unternehmen bereits 1987 rund 700 Millionen Mark kosten. Dabei unterstützen sie Vorhaben, die allgemein gesellschaftlich akzeptiert sind und positiv beurteilt werden, wie etwa Sport- oder Kulturveranstaltungen. Auf diese Art versuchen die Unternehmen vom positiven Image des Ereignisses zu profitieren. Umgekehrt bedeutet dies natürlich auch, daß Unternehmen sich an negativ belasteten Themen nicht finanziell beteiligen wollen. So wurde 1989 eine Sendereihe des US-Senders ABC über das Thema Abtreibung von den Sponsoren boykottiert.

Trotz staatsvertraglicher Bestimmungen, die einen direkten Programmeinfluß verhindern sollen, bedeutet die Zulassung des Sponsoring einen weiteren Schritt auch der öffentlich-rechtlichen Sender in die Wirtschaftsabhängigkeit. Deren Interessen stehen die Bestimmungen des Staatsvertrages erst mal nicht im Wege. Der Paragraph sieben fordert zwar, daß Sponsoring weder Einfluß auf die redaktionelle Unabhängigkeit nehmen noch direkt zum Produktkauf auffordern darf, aber dies ist derzeit nicht unbedingt das vorrangige Ziel der sponsernden Unternehmen. Es geht primär um Imagepflege und die Schaffung positiver Einstellungen gegenüber dem Produkt- und Firmennamen. Werbekampagnen in Zeitungen und Plakaten sowie die Schaltung von Spots in der allgemeinen TV-Werbung machen auf die „edle Tat“ des Unternehmens aufmerksam. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt auch, wie schnell unbequeme Gesetze und Bestimmungen geändert werden können, wenn dem wirtschaftlichem Interesse im Wege sind.

Die deutliche Kritik des Frankfurter Gerichts vor vier Jahren und Bedenken über die allgemeine Freigabe des Sponsoring sind mittlerweile Geschichte. Dies liegt auch daran, daß keine der mächtigen gesellschaftlichen Gruppen etwas gegen diese Entwicklung unternimmt. Für die Sommerspiele in Barcelona muß man wohl auf so manches gefaßt sein.