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Frauenräume und Frauenträume

■ Das vor 13 Jahren gegründete Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum (FFBIZ) ist das Gedächtnis der Frauenbewegung/ Mehr als 3.000 Bücher und 80 Kilometer Materialien/ Immer noch hauptsächlich unbezahlte Arbeit

Charlottenburg. Die »neue Frauenbewegung« spiegelt sich im 1978 gegründeten »Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum e.V.« (FFBIZ) gleich doppelt. Erstens sitzt im Archiv des FFBIZ in der Danckelmannstraße 47, in dreizehn Jahren angeschwollen auf rund eine viertel Million Blatt Materialien, so etwas wie das Gedächtnis der Frauenbewegung — vor allem der Berliner, aber auch der bundesdeutschen und der internationalen. Zwar gibt es hier auch noch andere Frauen- Dokumentationsstellen, doch ist das FFBIZ-Archiv samt Bibliothek sogar bundesweit das älteste der autonomen Frauenbewegung. Kein Wunder also, daß sich, zweitens, im FFBIZ die Kämpfe in der feministischen Bewegung — Heteras gegen Lesben, »machtlose« Newcomer gegen »mächtige« Autoritäten, vorsichtige Bewahrerinnen gegen wilde Utopistinnen — widergespiegelt haben. Die 45jährige Historikerin Dr. Ursula Nienhaus, die zu den Gründerinnen gehört und als einzige »Feste« das Archiv, die Forschung und Dokumentation gleichzeitig betreuen soll, berichtet darüber recht freimütig. Erst im letzten Jahr verließen zehn Frauen nach einem Autoritätskonflikt mit ihr den Trägerverein. »Es war selten gemütlich im FFBIZ«, gibt sie gerne zu, »erstens sind wir stark auf Leistung orientiert, und zweitens wollten wir immer lieber anstrengende und ernste Auseinandersetzungen führen als friedlich sein«. Das war eigentlich von Anfang an so, auch wenn damals die Auseinandersetzungen noch mehr als heute mit dem Staat geführt wurden. 250 Frauen erschienen im Dezember 1978 zur Gründungsversammlung des Vereins, und 1979 besetzten einige einen ehemaligen Blumenladen in der Danckelmannstraße 13. Nach einem Jahr wurden sie allerdings wieder heraussaniert und bezogen ein neues Quartier in der benachbarten Nr. 15, in der sich heute die FFBIZ- Galerie eines regen Besucherinnenverkehrs erfreut. Einige der Gründerinnen, zum Beispiel Gisela Bock, Barbara Duden oder Claudia Bernadoni, haben heute »Karriere« gemacht, soweit frau das im Frauenforschungsbereich überhaupt tun kann. Genau darum ging es aber schon damals: um den »Mangel an Geld, Raum und Zeit für alle in den traditionellen Einrichtungen arbeitende Frauen«. Diese »gesellschaftlich notwendige Arbeit« der Frauenforschung und -bildung, argumentierten die Feministinnen, dürfe jedoch keinesfalls unbezahlt geleistet werden. Dennoch arbeitet auch dreizehn Jahre später die große Mehrheit der zehn bis fünfzehn Frauen im Projekt immer noch ohne Entgelt: »Wir nennen das nicht ehrenamtlich«, schimpft Ursula Nienhaus, »denn das Wort verkleistert das Bewußtsein, nur die CDU und die Kirchen finden solche Art erzwungener Ehrenämter lobenswert.«

Unter anderem deshalb lehnten die Vereinsfrauen die magere Teilfinanzierung zunächst ab, die ihnen Mitte der 80er Jahre über den sogenannten »Finktopf« — eine nach dem damaligen CDU-Sozialsenator Ulf Fink benannte Förderungssumme für Alternativprojekte — zugestanden werden sollte. »Netzwerk« sprang mit zwei Zuschüssen ein. Erst nachdem das Dokumentationszentrum, das selbst vom damaligen Bundesfamilienminister Heiner Geißler (CDU) in einer Broschüre als »Modellprojekt« hochgelobt wurde, vor dem finanziellen Ruin stand, akzeptierten die Frauen zähneknirschend das Subventiönchen. Inzwischen hatte sich aber auch die Arbeit vervielfacht: Unter anderem mußte das von der bankrott gegangenen Frauenzeitschrift 'Courage‘ übernommene Archiv eingearbeitet werden. Und eine neue, bis heute existierende Arbeitsgruppe begann »Historische Stadtrundgänge« vorzubereiten — eine Dokumentation der Frauengeschichte Charlottenburgs erschien 1989. Im Jahre 1986 schließlich zog das FFBIZ in seine heutigen Bibliotheksräume gegenüber der Galerie, und dank eines Bausparvertrages, den eine Frau dem Verein schenkte, konnte die teure Miete fürs erste überwiesen werden. Inzwischen bezahlt die Senatsverwaltung für Frauen einen Mietzuschuß und Ursula Nienhaus‘ Dreiviertelstelle. Zwei weitere ABMStellen zur Aufarbeitung von Nachlässen aus dem »Deutschen Frauenbund« und für die Öffentlichkeitsarbeit werden aus dem »ZOFF«-Qualifizierungsprogramm der Wissenschaftsbehörde für erwerbslose Akademikerinnen finanziert, und Honorarkräfte müssen aus Spenden und Vereinsmitteln bezahlt werden. Die Arbeitsorganisation, die Veranstaltungen im Bildungsprogramm und die chronische Geldnot — zur Zeit sind nicht mal Mittel für neue Bücher vorhanden — werden auf dem Plenum oder der Vorstandssitzung des 75 Frauen umfassenden Vereins besprochen. »Von 20 bis 2 Uhr morgens«, sagt Ursula Nienhaus, »und in der Folge sind wir schlecht ausgeschlafen und nervig.« Ein wenig auf die Nerven geht ihr auch, daß das immer umfangreicher und wertvoller werdende Archiv nur unzureichend betreut werden kann. »Unersetzliche Papiere — im Brandfall nicht mit Wasser löschen«, verkünden Schilder an den Aktenschränken. Neben Büchern und thematisch geordneten Zeitungsausschnitten von Berlin bis Birma oder Bangladesch finden sich dort auch mehr als 250 Frauenzeitschriften »aus allen Kontinenten, außer der Antarktis«, eine Diplomarbeiten- und eine Plakatsammlung sowie verschiedene Nachlässe. Zum Beispiel von einer der ersten Polizistinnen in Berlin. Für Ursula Nienhaus war das ein Anlaß, die »Geschichte der weiblichen Polizei« zu beforschen. Sie wandte sich an die Polizeidirektion und lernte dort mehrere Kripobeamtinnen kennen, die inzwischen ebenfalls in den FFBIZ- Verein eingetreten sind. »Das hätte ich bei der Gründung 1978 auch nicht gedacht«, lächelt die Forscherin, »und im Verein hat das auch nicht alle erfreut. Aber wir müssen halt lernen, Unterschiede zuzulassen.«

Zum Beispiel auch den zwischen »Bewahrerinnen« und »Utopistinnen«, die »sich auf etwas Neues freuen und nicht an der ganzen Arbeit ersticken wollen«. In diesem Zusammenhang haben sich die FFBIZ- Frauen seit 1986 eine neue »konkrete Utopie« ausgedacht: Sie sind derzeit dabei, den Bedarf für ein Stadtteilzentrum für Frauenprojekte und -einrichtungen zu ermitteln. Die Danckelmannstraße 47, die früher ein Ledigenwohnheim und die »Zweigstelle der ersten deutschen Volksbibliothek« und jetzt ein gemischtes StudentInnenwohnheim und das FFBIZ beherbergt, soll womöglich zu einem solchen Haus werden.

Der Frauenausschuß der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg hat bereits seine Unterstützung der Initiative mit dem doppelsinnigen Namen »Sophia Lotta« (»die Weisheit kämpft«) signalisiert. Wieder neue Frauenträume in neuen Frauenräumen? Ute Scheub

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