: Regierungs- und Vereinigungskriminalität
■ Allein im Bereich Vereinigungskriminalität sind derzeit knapp 200 Verfahren anhängig
Offiziell heißt der Komplex, mit dem sich die Berliner Kripo seit nunmehr eineinhalb Jahren herumschlägt, „Bekämpfung der Regierungs- und Vereinigungskriminalität“. Sowohl von seiten der Staatsanwaltschaft als auch der Kripo werden beide Komplexe getrennt bearbeitet. Während Regierungskriminalität vor allem die Aufarbeitung einer kriminellen Vergangenheit betrifft, ist Vereinigungskriminalität aktuelles Wirtschaftsverbrechen.
Zur Regierungskriminalität gehören im einzelnen die Todesschüsse an der Mauer, Unterstützung der RAF, teilweise Spionagedelikte, aber auch Freiheitsberaubung und ähnliche Taten der Sicherheits- und Justizorgane der ehemaligen DDR. Außerdem gehört dazu der gesamte KoKo-Komplex um Schalck-Golodkowski— der nach Auskunft der Kripo erst „anermittelt“ wurde — inclusive Waffenhandel und Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Zur Vereinigungskriminalität gehören alle Betrugsverfahren in Verbindung mit Transferrubeln (Schädigung der Deutschen Außenhandelsbank AG und letztlich der Bundesbank bei der Abwicklung des restlichen RGW-Handelsverkehrs), Beiseiteschaffen von Parteivermögen, Untreue zum Nachteil der Treuhandanstalt, noch fortlaufendes Beiseiteschaffen von Vermögenswerten aus VEBs, Unterschlagung von NVA- und MfS- Vermögen und nicht zuletzt Immobilienmanipulationen wie rechtswidrige Rechtsträgerwechsel und Billigverkauf von Grundstücken an Funktionsträger (z.B. ein Haus an den ehemaligen Innenminister der DDR, Diestel) sowie spätere Eigentumsumschreibungen von KoKo-Immobilien, wo in 51 Fällen ermittelt wird.
Allein im Bereich Vereinigungskriminalität sind derzeit knapp 200 Ermittlungsverfahren anhängig, davon 40 Großverfahren. Die ermittelte Schadenssumme liegt über 6 Milliarden Mark; vermutet wird eine Dunkelziffer über 10 Milliarden DM. Bereits im Herbst letzten Jahres hatte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin 25 Großverfahren mit einem Schadensumfang von 460 Millionen Mark auf Eis gelegt. Allein von der Treuhand werden wöchentlich drei bis vier Wirtschaftsstrafverfahren der Kripo zugeleitet. Dabei geht es zum Teil um dreistellige Millionensummen. Durch die bisherige Arbeit der Berliner Kripo konnten rund 1,7 Milliarden DM sichergestellt werden. Dieses Geld geht an die Bundeskasse in Bonn.
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