: Honecker festgenagelt
■ Chile will Einreise des Ex-DDR-Chefs nur noch mit Zustimmung Deutschlands und Rußlands genehmigen
Bonn/Moskau (dpa) — Der krebskranke frühere DDR-Staatschef Erich Honecker (79), der sich seit Sonntag zur Behandlung in der Moskauer Botkin-Klinik aufhält, kann nicht mehr auf eine Ausreise nach Chile setzen. Die Regierung in Santiago hat gestern versichert, sie werde den 79jährigen nach dessen medizinischer Betreuung nicht ohne Zustimmung Deutschlands und Rußlands einreisen lassen. Der chilenische Botschafter in Bonn, Carlos Huneeus, teilte diesen Standpunkt seiner Regierung dem Auswärtigen Amt in Bonn mit. Honecker hatte wiederholt um eine Ausreise nach Chile gebeten. In der Nähe von Santiago lebt seine Tochter mit ihrer Familie.
Der 79jährige bleibe in Moskau Gast des chilenischen Botschafters und werde auf eigenen Wunsch nach dem Krankenhausaufenthalt, der auf drei bis vier Tage angesetzt ist, wieder in die Botschaftsresidenz in der russischen Hauptstadt zurückkehren, sagte Huneeus gestern. Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) geht dagegen davon aus, daß der krebskranke Mann nach dem Klinikaufenthalt in die Bundesrepublik gebracht wird, sofern er transportfähig ist.
Huneeus berichtete, der chilenische Präsident Patricio Aylwin habe am Montag mit den zuständigen Ministern über den Fall Honecker beraten. Von einer Aufnahme des 79jährigen in Chile aus „humanitären Gründen“, die in der vergangenen Woche angeboten worden war, ist jetzt nicht mehr die Rede.
Vielmehr äußert die Regierung in Santiago jetzt nach den Worten von Huneeus Verständnis für den deutschen Standpunkt, den ehemaligen SED-Chef vor ein Gericht in Deutschland zu stellen. Jede Lösung der Affäre Honecker müsse gemeinsam zwischen Chile, Deutschland und Rußland vereinbart werden, betonte der Diplomat.
Kinkel äußerte am Dienstag in der Kölnischen Rundschau und im Deutschlandfunk (Köln), es gebe keinen Grund, von einer strafrechtlichen Verfolgung Honeckers, gegen den ein Haftbefehl wegen der Todesschüsse an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze vorliegt, abzusehen. Wenn sich der 79jährige stellen würde, sei ihm ein faires und rechtsstaatliches Verfahren sicher. Dies schließe ein, daß er nicht vor Gericht gestellt werde, wenn er nicht verhandlungsfähig sei.
Honecker hatte sich in Begleitung seiner Frau Margot nach 75 Tagen der Zuflucht in der chilenischen Botschaft in die Botkin-Klinik begeben, in der bestimmte Stationen Ausländern vorbehalten sind. Ärzte der Klinik hatten den ehemaligen DDR- und SED-Chef bereits vor einer Woche in der Botschaft untersucht und Nierensteine, Leberkrebs sowie fortschreitende Sklerose diagnostiziert.
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