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Herr Beckmann, Frau Blumenstiel

■ „Draußen vor der Tür“ in Heinichens Puppentheater hatte am Samstag Premiere

Der Soldat Beckmann kommtnach drei Jahren Kriegsgefangenschaft in Sibirien nach Hause. Frau Kramer wohnt nun in der Wohnung seiner Eltern, macht ihm die Tür nicht auf und ist so verkniffen wie ihre winzigen Lockenwickler. Der Verleger interessiert sich nicht für seine Geschichte, und seine Frau hat einen anderen zu Hause. Der alte General lacht nur mit dickem Bauch über ihn, wobei sich sein Bademantel öffnet. Über einem Arsch, der 15 Zentimeter breit ist, und einem Schwänzchen, 2 Zentimeter lang.

Denn die Figuren Wolfgang Borcherts in „Draußen vor der Tür“ sind Puppen an der Hand von Detlev-Andreas Heinichen. Matthias Träger hat sie dem Jahr 1947 auf den Leib geschnitzt, als der Heimkehrer Beckmann vor den verschlossenen Türen des Nachkriegsdeutschlands steht.

Nur der ist ein wirklicher Mensch, gespielt von Marcel Wagner. Das surrelistische Zusammenspiel von Puppen und Menschen auf der Bühne des Packhaus-Theaters entspricht der Unwirklichkeit des Stücks Borcherts. Doch das Unheimliche, der fieberhafte Alptraum, die erschreckenden Visionen des Soldaten Beckmann übertragen sich nur langsam auf den Zuschauer.

Spärlich ist die Inszenierung (Regie Hans Gerhard Marg), auch wenn sie mit liebevollen Einfällen die große und die kleine Welt verbindet. So wirkt glaubhaft, wenn der wirkliche Soldat seinen Kopf an eine höchstens blumenstiellange Frau legt, die ihn am Elbeufer aufgelesen und vor dem Ertrinken gerettet hatte. Die beiden mögen sich, doch ihr Mann kommt aus dem Krieg zurück. Beckmann wird Opfer und Täter zugleich.

Dem Stück fehlt der Zeitbezug, auch wenn es immer irgendwo Krieg auf der Erde gibt. Seine Schrecken vorstellbar zu machen, ist theatralisches Glatteis. Es besteht die Gefahr, durch falsche Moral und unpassende Emotionen einzubrechen. Doch das Puppentheater verlor das Gleichgewicht zwischen dem schwierigen Thema und der Notwendigkeit, zu unterhalten, nicht. rot

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