: Geschichtslehrpfad Mauerstreifen?
■ Geschichtsinitiativen wollen Mauerverlauf markieren und historische Orte kenntlich machen/ Heute Ausstellungseröffnung am Potsdamer Platz
Schöneberg/ Kreuzberg/ Mitte. Einen »Geschichtslehrpfad« entlang der früheren Mauer wollen verschiedene Initiativen errichten. VertreterInnen des »Aktiven Museums Faschismus und Widerstand e.V.«, der im »Berlin Guide e.V.« zusammengeschlossenen Stadtführer, des Jugend-»Projektes Zeitseeing« im Kreuzberg-Museum und der »Stattreisen e.V.« machten gestern auf die Gefahr aufmerksam, daß historische Spuren durch die aktuelle Hauptstadtplanung vernichtet würden. Ihr Alternativvorschlag: Nach dem Vorbild des Bostoner »Freedom Trails« solle der Mauerverlauf mit einem begehbaren Metallband von der Oberbaumbrücke bis zur Bernauer Straße markiert werden.
Die Gestaltung dieses »Freilichtmuseums, das Jugendliche sicher mehr anspricht als jedes Deutsche Historische Museum«, sollten Künstler und Landschaftsarchitekten in einem Senatswettbewerb übernehmen. Denn entlang dieser für die europäische Geschichte so wichtigen Strecke könnten die dort zuhauf vorhandenen historischen Orte mit kleinen Anlauf- und Dokumentationsstellen kenntlich gemacht werden.
Fürs erste schweben ihnen dafür neun Orte vor. Denn Hinweise auf ihre Vergangenheit tragen heute weder das Gelände der ehemaligen »Reichskanzlei« zwischen Potsdamer Platz und Toleranzstraße noch das NS-Luftfahrtministerium als heutiger Sitz der Treuhand, noch die Eingangspforte des »Ballhauses Clou« am ehemaligen Todesstreifen, das die Nazis ab 1943 als Sammellager für Berliner Juden mißbrauchten.
Das nach dem Mauerbau unvollendet gebliebene Denkmal für Karl Liebknecht am Potsdamer Platz und ein weiteres für den von Westberliner Fluchthelfern erschossenen Grenzsoldaten Reinhold Huhn sollen gar beseitigt werden. Die Initiativen wünschen sich den Erhalt, »nicht weil wir die DDR gut finden«, sondern weil ihnen »eine Vernetzung zu anderen Mahnmalen« wie dem für das Maueropfer Peter Fechter vorschwebt.
Im Stattreisen-Büro neben den Andenkenläden am Potsdamer Platz, das früher der Westberliner Polizei als Wache mit kugelsicheren Mauern diente, soll deshalb heute um 15 Uhr eine kleine Ausstellung mit dem Titel Geschichtsmeile — Mauerstreifen eröffnet werden. In den Schaufenstern sind Fotos von jenen historischen Stätten ausgestellt, nachts sind sie als Diaprojektionen zu sehen. »Damit wollen wir die Schichtung von Geschichte zeigen«, so Eberhard Elfert vom Aktiven Museum. Just am Potsdamer Platz zum Beispiel verlief nämlich schon 1734 die alte Stadtmauer, die 1920 zur Bezirksgrenze, 1945 zur Sektorengrenze, 1949 zur Staatsgrenze und 1961 wieder zur Mauer wurde. usche
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