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Brüchiger Frieden in Kambodscha

Drei Milliarden US-Dollar soll der UNO-Einsatz in Kambodscha kosten/ Entsendung der Blauhelme kann noch Wochen dauern/ Kämpfe zwischen Bürgerkriegsparteien und soziale Spannungen nehmen zu  ■ Von Larry Jagan

Je länger die UNO mit der Stationierung ihrer Blauhelme zögert, die den Waffenstillstand überwachen sollen, um so wahrscheinlicher wird es, daß Kambodscha in den Bürgerkrieg zurückfällt. Es sei von vornherein klar gewesen, daß eine Rückkehr zum Frieden nach 13 Jahren Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den drei Widerstandsgruppierungen nicht leicht zu erreichen sein würde, erklärte ein Kambodscha-Experte in Phnom Penh kürzlich, „doch jetzt schwindet der politische Wille, der das Zustandekommen des mit UNO- Hilfe ausgehandelten Friedensabkommens ermöglicht hat“.

Seit Ende letzten Jahres kommt es wieder vermehrt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und den Roten Khmer. In der Zentralprovinz von Siem Rap ebenso wie in der Provinz Kompong Thom, etwa 140 km von der Hauptstadt Phnom Penh entfernt, lieferten sich Regierungstruppen und Widerstandstruppen Gefechte. Journalisten erklärten diese Woche nach Besuchen in Kompong Thom, daß viele Dörfer offensichtlich von Regierungstruppen zerstört wurden. Der Guerillakommandant vor Ort sagte, Dutzende von Soldaten und Zivilisten seien seit Jahresbeginn umgekommen. Es geht um die Kontrolle über das Land. Jede Seite will die Zeit vor der Stationierung von UNO-Truppen nutzen, um sich mit Blick auf die Wahlen im kommenden Jahr eine möglichst günstige Ausgangsposition zu sichern.

Immer noch werden Minen verlegt

„Die Kämpfe werden erst enden, wenn die Blauhelme eintreffen. Danach wird niemand einen offenen Bruch des Friedensabkommens wagen“, sagte ein hochrangiger Militär der Sihanouk-Fraktion. „Die Kämpfe werden weitergehen, bis die UNO alle Fraktionen vollständig entwaffnet hat.“

Wie immer ist es die Zivilbevölkerung, die leidet. UN-Mitarbeiter in Battambang, einer nördlichen Provinzhauptstadt, sagen privat, daß aufgrund der fortdauernden Kämpfe in Zentral- und Nordkambodscha Tausende von DorfbewohnerInnen auf der Flucht sind. Allein in Kompong Thom sollen im Januar 20.000 Menschen aus ihren Dörfern vertrieben worden sein. Die Euphorie, die im vergangenen Jahr auf die Unterzeichnung des Friedensabkommens und die Rückkehr von Prinz Sihanouk gefolgt war, ist schnell gewichen. „Frieden — was ist das?“ sagte kürzlich ein kambodschanischer Bauer. „Wir sind in Kambodscha, und hier kennen wir nichts als den Tod. Wann wird das Töten endlich ein Ende haben?“

UNO-Mitarbeiter weisen darauf hin, daß sowohl die Regierung als auch die Roten Khmer immer noch Minen legen — in einem Land, das bereits jetzt einem einzigen großen Minenfeld gleicht. Mindestens 150 Menschen werden immer noch jeden Monat durch die Explosionen getötet oder verletzt. Die Räumung der Minen gehörte nicht zur ursprünglichen Aufgabe der UNO-Vorausmission, die im vergangenen Jahr in Kambodscha eintraf. Erst der Druck von Hilfsorganisationen und Diplomaten überzeugte die UNO davon, daß die Umsetzung des Friedensplans in weiten Teilen von der Beseitigung der Minen abhängig sei. Nach Auffassung vieler Beobachter hat die UNO viel zu spät erkannt, daß der Plan nur gelingen kann, wenn er schnell realisiert wird.

Heute, fast vier Monate nachdem der UN-Plan unterzeichnet wurde, sind die Blauhelme immer noch nicht eingetroffen. Sie sollen vor allem für die Entwaffnung der mehr als 200.000 Soldaten der vier Bürgerkriegsfraktionen sorgen. Das muß in den kommenden drei Monate geschehen, denn hat die Regenzeit erst einmal begonnen, wird die Überwachung des Waffenstillstands und die Entwaffnung der Truppen noch schwieriger. Während der Monsunperiode zwischen April und September ist ein großer Teil der Straßen Kambodschas unpassierbar. Viele Diplomaten und UN-Mitarbeiter fürchten, damit würden die Repatriierung der rund 350.000 Flüchtlinge und die Truppen-Demobilisierung um bis zu einem Jahr verzögert.

Wer aber soll die Blauhelme und die UN-Übergangsverwaltung (UNTAC) finanzieren? Die Kosten werden gegenwärtig auf mehr als 3 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Resolutionsentwurf, den UN-Generalsekretär Bhutros Ghali letzte Woche dem Sicherheitsrat vorlegte und der an diesem Wochenende verabschiedet wird, sieht die Stationierung eines Kontingents von etwa 38.000 Personen vor, darunter 15.900 Blauhelme. Bhutros Ghali fordert die Mitgliedsstaaten zur Zahlung freiwilliger Beiträge auf, insbesondere an die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR. Allein für die Repatriierung der Flüchtlinge aus Thailand werden 900 Millionen Dollar veranschlagt.

Die Resolution betont ausdrücklich, daß die Wahlen im kommenden Jahr abgehalten werden sollen. Der Vorsitzende des Obersten Nationalrates von Kambodscha, Prinz Norodom Sihanouk, hatte zwischenzeitlich darauf gedrängt, die Wahlen auf 1994 zu verschieben, sagen Diplomaten. Allerdings erklärte der schwer berechenbare Politiker in dieser Woche gegenüber einer australischen Delegation, die Wahlen sollten doch besser vor Beginn des Monsuns im kommenden Jahr abgehalten werden.

Keine Verschiebung der Wahlen

Nach der Verabschiedung der Resolution durch den Weltsicherheitsrat wird das Budget für den UNO-Plan zur Bestätigung an die Generalversammlung weitergeleitet werden. Und das wird Wochen dauern. Erst dann können die ersten Kontingente der UNO-Übergangsverwaltung nach Kambodscha entsandt werden. Unterdessen ist auch die soziale und politische Situation in Phnom Penh selbst alles andere als stabil. Es hat bereits eine Reihe von Demonstrationen und Unruhen gegeben, von StudentInnen, ArbeiterInnen und Staatsangestellten. Und die Furcht vor einem Zusammenbruch des Friedensprozesses erhielt neue Nahrung, als am 22. Januar ein Staatsfunktionär ermordet wurde, der für seine offene Kritik an der Korruption in der Regierung bekannt war. Sechs Tage später wurde auf den bekanntesten politischen Dissidenten Kambodschas ein Anschlag verübt.

Prinz Sihanouk, der sich als über den Fraktionen stehender Hoffnungsträger im Friedensprozeß versteht, bereiste in diesen Tagen das Land und besuchte dabei auch jene Regionen, die von den Roten Khmer kontrolliert werden. Ataul Kharim, der Chef der UN-Vorausmission in Kambodscha, hofft, daß diese „Vereinigungstour“ zur Stabilisierung der Lage beiträgt. „Seine Botschaft ist: Der Friede schreitet voran“, sagt Ataul Kharim beschwörend. Doch immer weniger KambodschanerInnen teilen diesen Optimismus.

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