Bei den Banken gehen nicht alle Lichter aus

Erster ganztägiger Bankenstreik/ Erfolge für Gewerkschaften in Berlin und im Saarland/ Gemischte Gefühle in Frankfurt  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — An diesem „größten Banken-Streiktag seit 1945“ (HBV) sind gestern mehr als 8.000 Bank- und Sparkassenangestellte in sieben Bundesländern in den Streik getreten. So sei etwa in den 250 Filialen der saarländischen Banken und Sparkassen „nichts mehr gegangen“, sagte HBV-Sprecher Eilrich in Düsseldorf. Und auch im Westberliner Kreditgewerbe hätten die organisierten Kolleginnen und Kollegen „voll mitgezogen“.

Der von HBV und DAG organisierte Streik dürfte allerdings auch der erste in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik sein, bei dem sich (fast) ausschließlich Gewerkschaftsfunktionäre für die ArbeitnehmerInnen vor den „Werkstoren“ die Beine in den Bauch stehen durften — zumindest in der kontinentalen Finanzmetropole Frankfurt am Main. Da flatterten gestern vor den gewaltigen Geldspeichern der Deutschen Bank und der Dresdner Bank, deren Rechenzentrum „temporär“ lahmgelegt wurde, zwar die roten HBV-Streikfähnchen en masse im lauen Frühlingswind. Doch vor den kameraüberwachten Eingängen zu den Palästen tummelten sich (fast) ausschließlich bärtige Gewerkschafter aus dem „Proletenhochhaus“ in der Leuschnerstraße. Dort herrschte im Gegenzug gähnende Leere. Die Kollegin vom Notdienst im HBV- Trakt rückt die Tarifverträge für das Bankgewerbe nur widerwillig raus — und nur zusammen mit einem Flugblatt mit dem Streiklogo der Gewerkschaft: „Die Mäuse müssen stimmen.“

Die wahren „Bänker“, die ganz bestimmt nicht gewerkschaftlich organisiert sind, saßen an diesem Streiktag dort, wo sie um die Mittagszeit immer sitzen: In den zahlreichen Gourmetrestaurants und Salatbars der City — mit 'Capital‘ und 'FAZ‘ im Anschlag. Gut eine Stunde nach Börsenöffnung waren dort die Aktienkurse Topthema. Und die kleinen Grüppchen der Streikenden, die mit ihren knallgelben Plastikumhängen mit den Parolen des Tages an den Fensterfronten vorbeizogen, wurden nachsichtig belächelt: „Schau mal, wie putzig. Die kleine Müller vom Kassenschalter ist auch dabei.“

In Bankfurt „floaten“ die Gehälter etwa ab Tarifklasse 6 nämlich „free“. An clevere Kundenberater, Zweigstellenleiter, Hauptkassierer und EDV-Organisatoren schütten die Banken an Deutschlands erstem Finanzplatz weit über Tarif liegende Gehälter aus. Und für die Teilhabe am „Masters-of-the-Universe“-Spiel erwarten die Arbeitgeber Loyalität — und bekommen sie.

Die „Mäuse“ sollen nach Meinung von HBV und DAG vor allem in den unteren Gehaltsklassen wieder stimmen. In der Tarifgruppe 2 verdient etwa ein Bankbote im achten Berufsjahr knapp 3.000 DM brutto. Und eine Schalterangestellte mit Bedienungsaufgaben (Tarifgruppe 4) erhält, gleichfalls im achten Berufsjahr, exakt 3.128 DM Grundgehalt. Ohnehin sind nur etwa zehn Prozent aller Bankangestellten gewerkschaftlich organisiert — überdurchschnittlich in den unteren Tarifgruppen. Und die machen außerhalb von Bankfurt mehrheitlich auch mit beim Streik für „mehr Mäuse“ auch für die hohen Gehaltsklassen, die in der Kneipe „Leiter“ direkt an der Freßgass' gerade den Espresso ordern.

In Berlin waren 2.000 Angestellte im Ausstand. Nach gesplitteten Gehaltssteigerungen mit spürbaren Vorteilen für die unteren Tarifgruppenmitglieder soll aber auch in der Hauptstadt kein Bankbote gerufen haben.