piwik no script img

MIT SCHWEDENS RÜSTUNG AUF DU UND DUStaat als Rettunganker

■ Bürgerliche Regierung greift Waffenbuden unter die Arme

Stockholm (taz) — Schwedens bürgerliche Regierung scheint fest entschlossen, die Waffenindustrie des Landes mit kräftigen Subventionen über die aktuelle Entspannungsperiode retten zu wollen. Als ersten Schritt hat Verteidigungsminister Anders Björck einen Fünfjahresplan für das Verteidigungsbudget vorgelegt, der bis 1997 Steigerungsraten von knapp vier Prozent vorsieht. Umgerechnet rund 2,1 Milliarden Mark sollen die Militärs jährlich mehr ausgeben können. Schweden ist damit neben der Türkei das einzige europäische Land, dessen Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren real anwachsen werden.

Den Schweden fiel es schon in der Vergangenheit schwer, Verteidigungspolitik von Industriepolitik zu trennen. So wird zwar der Anstieg der Verteidigungsausgaben unter anderem mit dem Unsicherheitspotential in den GUS-Staaten begründet, dahinter verbergen sich aber die handfesten Interessen der zum Großteil staatlichen Waffenindustrie. Trotz eines kräftigen Personalabbaus beschäftigt die Branche noch rund 40.000 Menschen und setzt jährlich über 3,5 Milliarden Mark um. Sie konzentriert sich in wenigen mittelschwedischen Städten, die ohne ihre Waffenschmieden über keine tragfähige industrielle Struktur verfügen.

Hatten die Sozialdemokraten noch erste Schritte in Richtung Rüstungskonversion eingeleitet, ist dies für die konservative Regierungskoalition längst kein Thema mehr. Geld für die schmachtende Waffenindustrie wird nicht nur durch höhere Verteidigungsausgaben, sondern auch durch Umschichtungen freigesetzt. So fließen etwa die durch Regimenter- Auflösung eingesparten Millionen in neue, teurere Waffenprojekte. Ein neues U-Boot-Abwehrsystem soll installiert werden, da einige auf Kriegsschiffe spezialisierte Werften dringend Aufträge brauchen. Der JAS-Kampfjet, der durch Pannen bei den Probeflügen für ebenso viel Schlagzeilen wie durch Überteuerung sorgte, geht ebenfalls in Produktion. Ohne das Prestigeprojekt stünden in den Saab-Flugzeugwerken Massenentlassungen bevor. Aus ähnlichen Gründen wird ein neues Panzermodell sowie ein Raketenabwehrsystem gebaut.

Doch selbst das reicht nicht aus, die Rüstungsindustrie am Leben zu erhalten. Deshalb will Schweden auch den Export von Kriegsmaterial forcieren. Man hofft auf die Nato als neuen Abnehmermarkt und auf die Treue der traditionellen Waffenimportländer in der Dritten Welt. Mit einer Änderung des geltenden Waffenexportverbotsgesetzes sollen zudem neue Kunden gewonnen werden: Künftig werden die einstigen Warschauer-Pakt- Staaten Polen, Ungarn und CFSR schwedisches Kriegsgerät kaufen dürfen. Reinhard Wolff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen