: Flüchtlinge mit dem Rücken zum Deich
■ Wegen Verdachts auf „Mißbrauch der Sozialhilfe“ ließ Schleswig-Holstein alle Asylbewerber zählen
Kiel/München (ap/dpa) — In Schleswig-Holstein hat am Montag nachmittag eine auf zwei Stunden anberaumte Zählung der rund 11.000 Asylbewerber des Landes stattgefunden. Auf Anordnung von Sozialminister Günther Jansen sollten sich alle bei ihren Kommunen melden. Dort sollte geprüft werden, ob durch Mehrfachmeldungen Mißbrauch bei der Sozialhilfe betrieben wird. Bisher seien 100 solcher Fälle bekanntgeworden, sagte Jansen.
Flüchtlingsorganisationen und die Grünen haben die Aktion scharf kritisiert. Die Grünen meinten, um einem Mißbrauch der Sozialhilfe durch Asylbewerber auf die Spur zu kommen, gebe es andere Mittel, als 11.000 Menschen in eine großangelegte Überprüfungsaktion zu schicken. Angesichts der Tatsache, daß bislang nur 100 Fälle bekanntgeworden seien, in denen mehrmals Sozialhilfe in Anspruch genommen worden sei, erscheine die Aktion als unverhältnismäßig. Ein Kieler Solidaritätsverein bezeichnete die Maßnahme als „Schikaneaktion“. Es werde nach dem Grundsatz verfahren, bei Flüchtlingen sei „jeder und jede verdächtig“. Durch Berichte in den Medien setze sich nur die Vorstellung „Flüchtling gleich Betrüger“ in den Köpfen der Menschen fest. So würden vorhandene Vorurteile gegen Flüchtlinge nur verstärkt. Als Wahlkampfmanöver kritisierte der CSU-Generalsekretär Erwin Huber das Vorgehen der Regierung in Kiel.
Damit spielte er auf den Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins und SPD-Vorsitzenden Björn Engholm an, dessen Partei mit einem Nein zur Grundgesetzänderung den einzigen richtigen Weg zur Lösung des Asylproblems blockiere. Dafür lobte Huber den Münchner Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD), der eine Grundgesetzänderung nicht mehr ausschließt, für seinen „klaren Blick“. Kronawitter bekam unterdessen Unterstützung von dem SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Rappe. Rappe sagte im Saarländischen Rundfunk, er sei für eine Verfassungsänderung, wenn die europäischen Regelungen es verlangten.
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