: Noch ist das Firmenschild auf türkisch geschrieben
■ Türkisches Wirtschaftsleben in Berlin (Teil 3): Die Kreuzberger Druckerei »Türkiyem, Matbaasi« beliefert Exportbetriebe, Reisebüros und den Fußballverein »Türkiyem Spor«/ Gut funktionierender Familienbetrieb, der immer mehr von der zweiten Generation übernommen wird
Kreuzberg. Angefangen hatte alles 1973, als Mehmet Ali Deniz seinen Buchladen in der Türkei schließen mußte, weil er verbotene Bücher verkauft hatte. Um seine Familie weiter ernähren zu können, ging er wie so viele seiner Landsleute nach Deutschland und nahm einen Job in einer Schokoladenfabrik an. Schon ein Jahr später ließ er auch seine Familie nach Berlin kommen. 1978 fand der gelernte Schriftsetzer eine Anstellung bei einer Druckerei und drei Jahre später gründete er sein eigenes kleines Unternehmen. »Türkiyem Matbaasi« — zu deutsch: Türkische Druckerei — ist heute ein gut funktionierender Familienbetrieb. Neben Sohn und Tochter arbeiten auch seine Frau sowie ein deutscher Angestellter in der Druckerei.
Türkiyem Matbaasi im ersten Stock eines Vorderhauses direkt am Kottbusser Tor ist einer von insgesamt fünf türkischen Druckereibetrieben in Berlin. In dem nicht mehr als 150 Quadratmeter großen Betrieb werden neben Prospekten und Plakaten hauptsächlich Geschäftsdrucksachen hergestellt. Auftraggeber sind unter anderem große Exportbetriebe und inzwischen auch fast alle in der Stadt existierenden türkischen Reisebüros. Auch die türkische Fußballmannschaft »Türkiyem Spor« gehört zur festen Kundschaft. Zu jedem Heimspiel drucken sie deren Stadionzeitung.
Geleitet wird das kleine Unternehmen inzwischen hauptsächlich von der zweiten Generation. Die 24jährige Tochter Hülga Dogan ist seit sieben Jahren im Betrieb ihres Vaters. »Ohne dich bin ich völlig aufgeschmissen«, sagte er damals und nahm seine Tochter frühzeitig aus der Schule. Heute ist sie zwar die rechte Hand ihres Vaters, einen Schulabschluß hat sie jedoch nicht. Bruder Ümit hat Schule und Lehre erfolgreich abgeschlossen und arbeitet seit August letzten Jahres in der Firma seines Vaters.
Seitdem hat sich vieles verändert. »Ohne Auftragsbearbeitung geht hier nichts mehr«, sagt der 20jährige. Während früher unter der Leitung seines Vaters Verträge immer noch per Handschlag geschlossen wurden, läuft jetzt bei Türkiyem Matbaasi ohne schriftliche Auftragsbestätigung kein Geschäft. »Wir haben aus den Fehlern unserer Väter gelernt und wollen konkurrenzfähig bleiben«, erklärt Deniz junior.
Während die Preise früher eher willkürlich festgelegt wurden, arbeitet der Betrieb heute auf Kalkulation. Auch technische Verbesserungen hat es gegeben. Demnächst soll zu den bereits vorhandenen A4- und A3- Druckern auch eine A2-Druckmaschine angeschafft werden. Finanzielle Mittel und Fördermaßnahmen durch den Senat haben sie nie in Anspruch genommen und sämtliche Maschinen auf Ratenzahlung angeschafft.
Sechzig Prozent der Kundschaft sind türkische Abnehmer, die Aufträge kommen hauptsächlich aus Berlin und dem näheren Umkreis. »Die meisten Probleme machen uns die türkischen Konkurrenten, die immer noch viel zu billig arbeiten, um zu überleben. Die verderben uns ganz schön die Preise«, erklärt der Juniorchef.
Die Familie arbeitet eng zusammen und unterstützt sich gegenseitig. Die Personalkosten richten sich meistens danach, wie die Geschäfte laufen. Für Juniorchef Deniz, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Berlin wohnt, scheint das eine Selbstverständlichkeit zu sein. »Wir sind Ausländer in Deutschland und haben uns nie als etwas anderes gefühlt. Gerade deswegen müssen wir zusammenhalten.«
Ob der Betrieb auf lange Sicht erhalten bleiben wird, weiß im Moment noch niemand. Zunehmende Ausländerfeindlichkeit und das immer teurer werdende Leben in Deutschland veranlassen zumindest Gründungsvater Deniz zu Überlegungen, in seine Heimat zurückzukehren. Die alte Sehnsucht nach der Heimat hat sich über die Jahre stets gehalten, erklärt er. Sollte der Vater zurückgehen, wird die junge Generation der Familie Deniz den Betrieb vielleicht ganz übernehmen. Den türkischen Namen wollen sie dann aber, so Deniz junior, nicht mehr weiterführen. Ulrike Wojcieszak.
Die Serie wird fortgesetzt.
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