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Düsengedonner bis tief in die Nacht

■ Verkehrsverwaltung erteilt großzügig Ausnahmen vom Nachtflugverbot Im vergangenen Jahr verspäteten sich 1.300 Flieger mehr als eine Stunde

Berlin. Fluggesellschaften dürfen ihre Maschinen auf den drei Berliner Flughäfen auch nachts starten und landen lassen, wenn es eigentlich verboten ist. Das Nachtflugverbot, das für Flugzeuge, die zur lauten Lärmklasse zählen, ab 22 Uhr und für »leise« Flugzeuge ab 23 Uhr gelten soll, wurde damit faktisch ausgehebelt: Für bis zu einstündige »unvermeidbare Verspätungen gilt eine Ausnahme generell als erteilt«. Dies antwortete der zuständige Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) auf eine Anfrage des Abgeordneten Hartwig Berger (Bündnis 90/ Grüne). Auf der Ausnahmeregelung habe Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) bestanden, so Haase zur Begründung.

Wie häufig Donnervögel oder sogenannte Flüsterjets von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen und während der ersten Stunde des Nachtflugverbotes über die Köpfe der Berliner donnern, weiß der Senator nicht. Erst über Flugzeuge, die nach 23 Uhr beziehungsweise Mitternacht landen oder starten, gibt es Zahlen. Im vergangenen Jahr verspäteten sich alleine in Tegel 1.323 Maschinen mehr als eine Stunde, berichtet Friedrich Kalweit, Leiter der Verkehrsabteilung in Tegel. Knapp die Hälfte waren Charter- und Linienflüge, deren Ankunft oder Abflug durch schlechtes Wetter oder Fluglotsenstreiks verzögert worden seien. Die andere Hälfte der Flüge bestritten Postmaschinen, die regulär und genehmigt während des Verbotes abheben dürfen, damit Briefe und Pakete rechtzeitig auf dem Verteilerflughafen Frankfurt ankommen und von dort mitgebracht werden können, erläutert Kalweit.

Verärgert über diese Praxis zeigt sich Umweltstaatssekretär Lutz Wicke (CDU), der sich im vergangegen Jahr dafür stark gemacht hatte, daß das Nachtflugverbot im November von 23 auf 22 Uhr ausgeweitet wurde. Von dem generellen Ausnahmepassus wisse er erst seit der Anfrage des grünen Abgeordneten. Aus Gründen des Lärmschutzes sei diese Regelung nicht vertretbar. Auf die Nachtflugbeschränkungen habe er allerdings keinen Zugriff — den habe der Verkehrssenator.

Dieter Melde, Vorsitzender der Fluglärmkommission, sieht die Gefahr, daß die Pauschalregelung von den Fluggesellschaften »weidlich ausgenutzt« werde. Die Zahl der Nachtflüge habe vermutlich aber nicht zugenommen. Die Fluglärmkommission, die die Verkehrsverwaltung in Lärmfragen berät, wolle jetzt aussagekräftige Zahlen. Bei einer gestrigen Sitzung der Kommission habe die Verkehrsverwaltung eine »sehr undifferenzierte Statistik« vorgelegt. Wenn jetzt festgestellt werde, daß sich bestimmte Fluggesellschaften ständig verspäteten, dann gehe das nicht, droht Melde. Reinickendorfs Bezirksbürgermeister Detlef Dzembritzki (SPD) fordert, daß der Postflugverkehr sofort von Tegel nach Schönefeld — und nicht, wie die Verkehrsverwaltung wolle, erst 1993 — verlagert wird.

Hartwig Berger fordert gar, daß das Nachtflugverbot strikt eingehalten wird. Nur im Gefahrenfall dürften Ausnahmen zugelassen werden. Aus der Verkehrsverwaltung war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Dirk Wildt

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