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PRESS-SCHLAGKraul gegen den Strom

■ Olympiastützpunkt Hamburg stellt seine Gegenstromanlage vor: Auf der Stelle zum Sieg

Die Gäste der nachmittäglichen Party lächelten. Einige schielten zwar — dem Anlaß kaum angemessen — zum kalten Buffet, die meisten hatten freilich glänzende Augen für das technische Wunder, das sich ihnen darbot: ein 2,5 Meter breites, 1,35 Meter tiefes und 13 Meter langes Aquarium, aus dem aus Nervenbündeln Goldrecken entsteigen sollen. Der offizielle Titel der im Olympiastützpunkt Hamburg beheimateten Anlage: Gegenstromanlage.

In sie, die 2,5 Millionen Mark gekostet hat und zusammen von der Stadt Hamburg und dem Bund bezahlt wird, in sie hinein springen die Kaderathleten des Hamburger Leistungszentrums. Ankraulend und gegenbrüstelnd wider die Fluten, die echte Wettkampfbedingungen simulieren sollen. In Wahrheit schwimmt man/frau auf der Stelle. An der Längsseite und im Beckenboden installiert sind Videokameras, die jede Gewebe- und Muskelregung des schwimmenden Fleisches registrieren.

Schwimmexperten aus aller Welt haben sich bereits angesagt zur Besichtigung der modernen Anlage, die „neue Wege zur Leistungsoptimierung“ aufweisen soll, besser gar als das frühere Medaillenbad der DDR in Leipzig soll es sein. Und das soll schließlich was heißen: Kristin Otto wurde dort feingeschliffen, auch Nils Rudolph, der Rostocker Sprintkrauler. Der ist längst im Westen, schwimmt für die SG Hamburg und weiß dennoch nicht, was er genau von der Anlage halten soll. Ob sie was bringt? „Muß wohl“, sagt er, was bedeuten soll: Viel Technik ist der Stoff, aus dem der Glaube ist.

Dem Stefan Pfeiffer jedenfalls, der ewige Zweite auf den langen Strecken, soll der Einsatz gegen den Strom schwer geholfen haben: sagenhafte 5,6 Sekunden hätte er im vorigen Jahr bei der WM in Perth auf der 1.500-Meter-Distanz einsparen können, wenn seine Wenden besser geflutscht wären. Zwar hätte dieses Zeitquantum ihm kaum die Silber- statt der Bronzemedaille beschert, seine beiden vor ihm liegenden Konkurrenten lagen am Ende gut sieben Sekunden vor Pfeiffer schnaufend am Beckenrand.

Aber wer weiß, vielleicht kann der Helferstab am Beckenrand ihm doch noch zu weiteren Zehnteln verhelfen: Mit kleinen Drähten am Körper ist genau meßbar, welcher Muskel mal wieder nicht mitgespielt hat bei den langen Armzügen, die am Ende immer schwerer fallen. „Zwischen dem Ersten und dem Vierten liegen meist nur Zehntelsekunden“, weiß Jürgen Greve, Startrainer am und Leiter des Olympiastützpunktes, „doch der Vierte ist am Arsch.“ Also glaubt der Sportler auf dem Weg zu höheren Zielen an diese Anlage — wie Bernd Zerrun, Hamburger EM- Teilnehmer letztes Jahr in Athen, dort besonders am Arsch auf dem Platz fünf. „Das bringt echt was“, schwört der sehnig-athletische Mann, gegen den das Festpublikum aussieht wie ein sieches, verfressenes Kollektiv von Wohlstandsbürgern.

Eine Insiderin in den klinisch sauberen Fluren des Olympiastützpunktes mag die Ehrfurcht, den religiösen Eifer, der dem Bassin entgegengebracht wird, nicht teilen. „Kennen wir doch alle, die Trainingsweltmeister, die sich schinden und eine Bestzeit nach der anderen erzielen. Und im Rennen, wenn's drauf ankommt, fast absaufen“, sagt sie. Ja, die Nerven. Jürgen Hingsen, fleischgewordener Fehlstart auf dem Trockenen, der Zehnkämpfer, war auch zugegen, sein Orangensaftglas anmeditierend. Ob er als Mahnung an die Schwimmsportler geladen wurde, daß die beste Technik nichts hilft, wenn die Angst vor dem Siegen ihnen einen Streich spielt, ist nicht bekannt. Arne Fohlin

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