: DIE FÜNFTE GEWALT — WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart
Immer etwas abseitig steht im Kioskregal ein biederes, zeitgeistiges Männermagazin ohne entblößte Oberweiten, obwohl, wir ahnen es, die Leser dieses Blättchens genau davon bevorzugt träumen. Die Rede ist von Männer Vogue, ein Machwerk für den gepflegten Mann, der wissen möchte, ja muß, welchen Anzug, „ob ein- oder zweireihig“ (ab S. 96), er zu seinem Paar „solider, rahmengenähter Brogue aus mokkabraunem Ziegen- Veloursleder“ (S. 132) tragen kann, damit ER, „der suchende Feinschmecker... in der Via Galluppi“ dieses Restaurant mit dem „Ausnahmespeisezettel“ (S. 84) auch würdig betreten kann. Nun entwickelt mann einen solch exquisiten Geschmack beileibe nicht nur für die Familien- Annalen, sondern auch, um etwas Passendes für das Seidenlaken zu finden, und eine kostengünstige Telefonerhebung des Münchener Instituts Klaus Peinelt GmbH (400 Männer in München, Frankfurt und Hamburg, also mordsrepräsentativ), die die Redaktion gerne als „Die große Umfrage: Der deutsche Mann — Liebe, Laster, Leidenschaft“ an den einfältigen Käufer bringen möchte, signalisiert diesen neuen Hang zum Weibe: „Tagesthemen“-Moderatorin Sabine Christiansen können sich 36 Prozent als eine Wilde im Bett vorstellen, gar 39 von hundert wären lieber mit Claudia Schiffer als mit Stephanie von Monaco verheiratet, und bei dem Beischlafvotum (zur Auswahl gestellt die beiden Redaktionsfavoritinnen Wilma Feuerstein und Betty Geröllheimer) tendieren Deutschlands Piepmatz-Träger eher nicht zu Freds Geschmack. Der Vereinigungswille ist dagegen ungebrochen — wöchentlich im „Durchschnitt: 3,1mal“. Nach solchen Anstrengungen dürfen wir Chefredakteur Michael Hopp auch seine arithmetischen Mängel durchaus nachsehen: „... seine“ — des deutschen Mannes — „tatsächlichen Erfolge überschreiten allerdings nur um ein Drittel die Lutherische Vorgabe von 'die Woche zwier‘.„ Nicht doch etwas mehr als die Hälfte?
Schlimm allerdings, daß die Weiber, zumindest für den ordinären Männer-Geschmack, manchmal etwas zuviel der Initiative übernehmen— findet auch Playboy-Autor Michael Fuchs-Gamböck. In dessen blühender Phantasie bringen ständig irgendwelche von ihm aufgerissenen „Verbalnutten und Quasselstrippen“ seine erotischen Inszenierungen ganz durcheinander, wenn sie unplanmäßig aus der Damenrolle fallen: „,Na los, du geile Sau... ich bin schon ganz scharf auf dich‘, brüllte sie mich im Kasernenhofton an, als ich mich gerade verträumt über sie beugte. Petra lag — ganz scheues, jungfräuliches Reh — vor mir wie ein Ikea-Regal, aber ihr Mundwerk bedurfte offensichtlich einer Teufelsaustreibung.“ Michael Fuchsschwanz-Gernbock mußte wieder einmal passen, denn sein Schniedel „hatte sich auf Erbsengröße reduziert“.
Daß mit den Frauen derzeit irgend was nicht stimmt, hat auch Tempo herausgefunden: „Flintenweiber und Machofrauen haben ihr Pulver verschossen. Jetzt kommen die Zicken... Sie zu erobern, ist die Reifeprüfung für echte Männer.“ Eine zweifelhafte Aussage erkennt man häufig, auch hier, an einer etwas beliebigen Interpunktion (s. Wahrig 2.8.2.3a). Denn nicht jeder Infinitiv- Halbsatz wird definitiv durch Komma abgetrennt, auch wenn es zu einer ficktiven Geschichte gut passen täte.
Steinbach süffisant: Solche Geschichten entstehen selten aus einem Guß. Höchstens aus einem Erguß.
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